“Egal, ob Ingenieur, Betriebswirt oder Chemiker, Sie sind später in der Metallindustrie gefragt,” betont der Leiter Anwendungstechnik im Hamburger Aluminiumwerk. Vor sich hat er eine Gruppe Oberstufenschüler, ein Leistungskurs Chemie und es ist konsequent, wenn der Metallurge für eine naturwissenschaftliche Bildung plädiert. “Sie werden in jeder Disziplin genug lernen, um uns voranzubringen – von der Germanistik einmal abgesehen.” Da ist es wieder, das Bild von den überflüssigen, nichtsnutzigen Geisteswissenschaften. Klar, mehr naturwissenschaftliches Wissen in den Schulen muss sein, damit es nach der Krise wieder genug Ingenieure gibt, die Deutschland voranbringen. Aber wo sind die Leute, die sich in und nach der Krise Gedanken machen, über den Sinn einer Wirtschaft, die auf Kosten der Zukunft wächst. Die trotz Krise nach vorne blicken, nach dem Sinn der Wirtschaft und des Lebens fragen. Ich behaupte, in Krisenzeiten sind Geisteswissenschaftler das Vorbild für alle: Weil sie auch schon in Boomzeiten nicht zu den gefragten Wissenschaftlern zählen, dennoch in Massen jährlich die Universitäten verlassen und – das ist erstaunlich – irgendwie irgendwo unterkommen. Das gilt wie in anderen Disziplinen auch nicht hundertprozentig und der taxifahrende Philosoph hat sicher nicht umsonst traurige Berühmtheit erlangt. Aber er ist eben auch ein Medienklischee, das ganz und gar nicht mehrheitstauglich ist, weil die meisten Freigeister sehr wohl arbeitsmarkttauglich sind. Das hat die Professorin Martha Meyer-Althoff in zahlreichen Verbleibsstudien nachweisen können: Geisteswissenschaftler arbeiten als Lektor, Journalist, PR-Fachmann oder Personalverantwortliche. Manche finden auch ihre Nische in Banken oder selbst in der Industrie: Da sind sie das Salz in der Suppe. Und immer mehr Geisteswissenschaftler gründen – klein, dienstleistungsorientiert, vorsichtig, aber durchaus erfolgreich.
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