Manchmal bin ich mit meinem Latein (es ist auch nur das Kleine) schnell am Ende. Wenn etwa eine Weiterbildungsakademie für einen Ausbildungslehrgang (zum Performance Consultant, ein Titel, der irgendwo auf der Skala Sprachverhunzung bis Imponiergehabe trifft) im Jahre 2013 mit einem Brief aus dem Jahre 2009 wirbt und dann noch mit “Deine NN” unterschreibt. Die Abkürzung ist eigentlich ein Platzhalter und steht für Nomen nominandus (noch zu nennender Name). Ursprünglich gehört NN wohl aber in das antike römische Rechtswesen und wollte die streitenden Parteien durch Anonymisierung schützen. Demnach wurde der Angeklagte zum Numerius Negidius, übersetzt etwa “derjenige, der sich weigert zu zahlen”, abgekürzt NN.
So weit, so viel Latein. Aber was macht das in einem Werbebrief für einen Sinn? Nun, ich vermute mal die Autorin “Angelika” will die Briefschreiberin schützen. Oder besser gesagt “muss”. Weil nämlich die Absolventin den Brief gar nicht zur Veröffentlichung freigegeben hat. Das ist löblich, wirkt aber als Werbebrief in Zeiten öffentlicher Bewertungsportale leicht antiquiert und irgendwie auch sinnlos: Eine Werberin, die nicht offen in ihrem Namen werben will, ist keine. Schließlich kann jeder NN-Briefe schreiben und online stellen.
Das Schlimme ist, das wird auch getan. Es ist verdammt viel Fake unterwegs im Web. Ein Drittel der Bewertungen sind unglaubwürdig, so eine Studie der Fachhochschule Worms. Und in England wurde sogar ein Restaurant mit Sternen überhäuft, das es gar nicht gibt. Alles nur, weil ein betroffener Geschäftsmann beweisen wollte, dass unregulierte Kommentarfunktionen bezahlten Lobeshymnen und Fälschungen Tor und Tür öffnen.
Bevor Sie also Lieschen Müller zur Unternehmerin machen, die Ihr Angebot lobt – Vorsicht, der Lügendetektor kommt schnell drauf – oder gar gute Freunde in Bedrängnis bringen, positiv zu bewerten (doppelt Vorsicht, wenn Sie Ihre Freunde behalten wollen), bitten Sie lieber gute Kunden um ein Feedback, für das Sie wiederum eine Veröffentlichungsfreigabe erbeten. Bleibt die aus, sollte das ihrer guten Geschäftsbeziehung keinen Abbruch tun. Besser jedenfalls als das Lob eines Geschäftspartners, der anschließend wegbleibt. Wenn das Internet zur Leihmaschine wird und Vertrauen seine Währung, dann brauchen Sie auch nicht ständig diese beliebten Gegendeals einfädeln (You like, follow, post me and I like follow, post you – oder so ähnlich). Bewerten Sie andere fair und echt, ganz ohne Gegengeschäft, dann kommt das Feedback schon ganz von allein. Hand drauf.