Ja, ich habe es gemacht, mich für eine Pressereise angemeldet, mir ein fertiges Programm servieren lassen und bin für lau nach Südfrankreich gereist. Die erste Gruppenpressereise meines Lebens. Zumindest als Journalistin. Im vorigen Berufsleben habe ich für eine PR-Agentur Food and Beverage Journalisten ins Werk einer südschwedischen Wodkamarke eingeladen und mich gewundert, wie viel Hochprozentiges Medienmenschen vertragen. Aber so sehr wir auch Wünsche von Lippen ablasen und für eine gute Stimmung sorgten, sind doch ganz eigenständige, voneinander und vor allem von unserer PR-Strategie unabhängige Berichte am Ende dabei entstanden. Darunter einer, der den hohen Grad an Automatisierung mit der Frage verknüpfte, wer denn zukünftig das hochpreisige Produkt kaufen sollte, wenn es so wenig Beschäftigte ernährte. Chapeau!
Guter Journalismus weiß um das Bemühen der PR, das Produkt ins beste Licht zu rücken, bleibt skeptisch, bewahrt Distanz und lebt von einem funktionalen Misstrauen gegenüber den Vertretern von Politik, Wirtschaft, Recht oder eben Veranstaltern von Pressereisen. Das ist insofern eine Gradwanderung, als Medien auf das Vertrauen ihrer Leser, Hörer oder Zuschauer, angewiesen sind, dieses Vertrauen in Zeiten von Populismus, Verschwörungstheorien und Misstrauensgemeinschaften aber immer seltener bekommen.
Den Fakten verpflichtet
Die Deutsche Presseagentur hat eine Zeitlang die Teilnahme an Pressereisen im Zusammenhang mit ihren Veröffentlichungen ausgeschlossen. Aber das hat sich weder wirtschaftlich noch im Renommee positiv niedergeschlagen. Zudem kommt die Erfahrung, dass Misstrauensgemeinschaften häufig vom Irrationalen angetrieben werden und sich von Werten wie Transparenz, Kompetenz oder Erfahrung nicht beeindrucken lassen. Inzwischen hat die dpa ihre Compliance-Regeln angepasst, die Teilnahme an Pressereisen ist wieder erlaubt, aber ein Eigenanteil muss nach wie gezahlt werden. Nur, wer weiß das schon?!
Selbst mir war es vor meiner ersten Gruppenmedienreise nicht bewusst. Im Nachgang macht es mich gefühlsmäßig durchaus freier und unabhängiger gegenüber den Veranstaltern. Ja, es war eine perfekt organisierte Reise, Licht und Landschaft, Tour und Team haben mir gut gefallen. Aber es gab auch Punkte, die ich anders gemacht hätte:
- Weniger Personalaufwand: Wenn vier Journalisten ein mehrköpfiges Team aus PR, Tourismus plus Stadtguide und Radguide an die Seite gestellt werden, dann kommt da etwas aus dem Gleichgewicht, dann fühlt man sich zu sehr an die Hand genommen.
- Mehr Leerlauf: Zielgruppe sind ja die „Normalreisenden“, Menschen, die sich ihre Route und ihr Programm selbst zusammenstellen. Ihnen machen wir Vorschläge, dürfen aber keine falschen Erwartungen wecken nach dem Motto „easy way“ – nur weil wir selbst einen Guide hatten, den wir stumpf hinterherradeln konnten.
- Multiperspektivität: Gespräche mit Tourismusmanagern einer Region in Folge sind wie gleicher Wein in ähnlichen Schläuchen. So wie auch eine Weinprobe mehr als genug ist, wenn es um Radtourismus geht.



Mein Fazit:
- Absolute Unabhängigkeit gibt es nicht.
- Aber Bewusstmachung um den Zwiespalt zwischen Journalismus und PR hilft.
- Abstand auch: Ich habe mich sechs Wochen nach der Pressereise noch nicht ans Verfassen gemacht.
Schauen wir mal, was dabei herauskommt. Ich werde es auf dieser Seite verlinken. Transparenz macht den Unterschied…
