Nackt im Netz: Wann ist die eigene Webseite verzichtbar?

Nackt im Netz: Wann ist die eigene Webseite verzichtbar?

Nackt im Netz

Professionelle Fotos gemacht, verschiedene Layouts getestet, knackige Headlines überlegt – und sich dann doch dagegen entschieden: Meine Freundin Geli, seit Jahren in der Fitnessbranche selbstständig tätig, will keine eigene Seite. „Brauche ich doch nicht!“, betont sie. Alles was sie brauche, sei eine zuverlässige und bewährte Handynummer (mit einer guten Erreichbarkeit über einen kostenlosen Messenger) und einen noch besseren Leumund: „Ich werde weiterempfohlen, ich habe genug zu tun.“

Das haben die drei (!) Redakteure, die vor 70 an den ersten Ausgaben des Magazins Stern arbeiteten vermutlich auch gedacht. Und dann bekamen sie immer mehr Kollegen, Glanz, Gloria und Gratiseinladungen – bis die fetten Jahre plötzlich vorbei waren, pikanterweise ausgelöst durch die wachsende Konkurrenz aus dem Netz. Heute erzählt Chefredakteur Christian Krug in einer Ausgabe, die auf 200 Seiten aufgebläht wurde – ganz so wie in den guten alten Zeiten – wie er mit 13 Jahren zum Stern-Leser wurde. Unter anderem durch eine Geschichte über den Guru Bhagwan und dessen Anhänger. Krug erinnert sich: „Auf den Fotos tanzten nackte Menschen in lila Gewändern…“ und spontan fiel mir Geli ein: Die ist nämlich auch nackt, nackt im Netz, trotz der spärlichen, aber immerhin bekleideten Fotos von ihr, die Google präsentiert! (Allerdings nur, wenn man ihren richtigen Namen und ihren Wohnort eingibt – und auch sonst ein wenig über sie weiß). Aber so oder so: Geli hat die Steuerung über das, was man über sie finden sollte, wenn man nach ihr sucht, ausgeschlagen.

Ist das klug?

Jahrelang habe ich dagegen argumentiert. Ich sagte: Eine eigene Webseite …

  • macht dich seriös
  • ermöglicht dir Markenaufbau, Branding, Marketing
  • ist ein Aushängeschild, das zudem auch viele Detailinformationen zulässt
  • und ist für viele die erste Anlaufstelle: „Wenn du keine vorzeigbare Seite hast, bist du einfach nicht“ – hat mich vor Jahren ein „Business-Expert“ gewarnt, als ich selbst nicht viel mehr als eine Visitenkarte im Netz hatte.

Heute sehe ich das differenzierter:

  • Einfach nur eine Webseite zu haben, bringt niemandem etwas
  • Man muss sie bekanntlich auch mit Leben füllen, pflegen, für Suchmaschinen optimieren und weiterverbreiten
  • Das braucht Zeit, Geld und Grips und rechnet sich nicht für jeden, der vielleicht eher lokal, klein und analog tätig ist.
  • Wenn alle mit dem eigenen Netzwerk beschäftigt sind und jeder im Netz zu finden ist, ist vornehme Zurückhaltung vielleicht ein gutes Aushängeschild, das neugierig macht?

 

Geli will sich jedenfalls in ein Studio in der Nachbarschaft für ein paar Stunden einmieten. Und ein selbstgestaltetes Schild mit ihrer Handynummer ins Schaufenster stellen. Darüber die Zeile „A-Lizenz in der Tasche, jahrelange Trainererfahrung im Blut und dein Ganzkörperfitness im Sinn: Auch Gruppenkurse und Specials im Angebot!“ Bin gespannt, ob es funkt…

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