Der Journalist macht ein Interview und lässt sich die Ergebnisse vor Abdruck freigeben, in Fachjargon “autorisieren”. Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage, nur deutsche Gepflogenheiten, wie der Journalist Burkhard Schröder bei Telepolis schreibt. Das sei typisch deutsch, im demokratischen Europa einmalig und “nur aus der hiesigen stark ausgeprägten obrigkeitsstaatlichen Tradition” zu erklären. Weiter: “Das ungeschriebene “Gesetz” der Autorisierung fördert die vorauseilende Unterwürfigkeit der Jung-Journaille…”, so Schröder in einem kritischen Beitrag über den investigativen Journalismus und seine Folgen, wenn ein Politiker sich nicht korrekt zitiert und behandelt fühlt.
Die Unsitte ist nicht nur bei kritischen Beiträgen greifbar. Ein Beispiel: Ich interviewe für das Hamburger Abendblatt einen Demografieberater, nichts weiter als ein höflicher Smalltalk, finde ich, schließlich halte ich die Förderung und Forderung älterer Mitarbeiter in Betrieben grundsätzlich für eine gute Sache. Dennoch, will ich auch keinen Ärger mit irgendwelchen Rechtsanwälten und lasse mir das Interview freigeben. Es geht vom Demografieberater an eine PR-Beraterin und kommt sehr bunt an mich zurück:
Die Demographieberatung ist für uns nur der erste Schritt. Die gewonnenen Erkenntnisse gilt es umzusetzen und gleichzeitig die damit in Verbindung stehenden Veränderungen zu betrachten. Unsere Beratung ist unsere Visitenkarte, um den Betrieb kennen zu lernen und eine gemeinsame Basis zu finden. |
Haben Sie es bemerkt, da ist ein schwarzes Wörtchen drin. Das ist das, was von meinem Text noch übrig geblieben ist. Dazu schreibt mir der Interviewpartner: “Mit dem Interview bin ich einverstanden, habe mir jedoch kleine Änderungen und Zusätze erlaubt (rot gekennzeichnet). Falls der Text nun zu lang ist, finden Sie blau markiert die Passagen, die gestrichen werden können. Bitte geben Sie mir eine kurze Info, wann unser Gespräche veröffentlicht wird.” Klar, gebe ich gerne: So erscheint das Interview nämlich schlichtweg gar nicht. Das ist viel zu viel PR. Also liebe PR-Agenturen übertreibt es nicht mit dem Service, er könnte schnell kontraproduktiv wirken. Ebenso wenig bringt dauerndes Nachfassen und das Bombadieren mit Informationen. Und schon gar nicht, das beleidigte Drohung mit einer Gegendarstellung, wenn die “ausführlichen Informationen aus unserem Haus” keine Berücksichtigung fanden. So ist das nun einmal, wenn der Journalismus wenigstens so einigermaßen unabhängig ist. Übrigens ist das Interview im Abendblatt dann doch noch erschienen, nur ein halbes Jahr später, völlig überarbeitet und PR-frei…