Einmal bin ich schon auf die Drückerbanden hereingefallen. Da war ich 18 Jahre jung und ein leichtes Opfer: die Eltern nicht zu Hause, gutgläubig und der Arbeitslose, der so auf die Tränendrüse drückte, tat mir leid. Also unterschrieb ich. Ein Abo für eine Zeitschrift, von der ich längst schon nicht mehr den Titel weiß. Mein Vater riet mir, schriftlich zu widerrufen. Das Recht gibt es bei auf der Straße oder an der Haustür geschlossenen Verträgen bis zwei Wochen nach Abschluss immer noch.
30 Jahre später, klingelt es wieder an der Haustür. Wenn es nicht der Postbote, meine Kinder oder die Nachbarn sind, mache ich meist gar nicht auf. Aber dieses Mal ist mein Sohn schneller. Der junge Mann an der Tür fragt nach mir. Er sieht gut aus, hält ein Klemmbrett in klammen Fingern und bittet um zwei Minuten Zeit: Er sei früher einmal drogenabhängig gewesen und mache zusammen mit anderen ehemals Drogenabhängigen eine Umfrage. Die erste Frage lautet: “Haben Sie Vorurteile gegen Drogenabhängige?” Auf dem Zettel lese ich drei Stimmen bei “Nein”, eine bei “Ja”. Natürlich habe ich Vorurteile. Etwa die Vorstellung, dass Drogenabhängige bestimmt nicht so proper aussehen wie dieser Jugendliche hier und dass ich sie niemals zu mir in die Wohnung bitten würde. “Ja”, antworte ich und bitte ihn in den Flur, weil mir selbst kalt ist.
Nach der reichlich merkwürdigen Umfrage folgt die eigentliche Geschichte: “Wir wollen jetzt Ausbildungskurse an der VHS Wellingsbüttel belegen. Wir finanzieren diese mit einem Schülerbotendienst.” Jetzt wird die Geschichte richtig windig: Eine Druckerei will die Ex-Drücker auf ihrem Cleanpfad unterstützen, wenn sie Zeitschriften in die Haushalte drücken. So sagt es der junge Mann natürlich nicht. Aber so kommt es bei mir an, als er den kleinen Flyer mit Burda, Bauer, Springer und Co-Titeln aus der Tasche zieht. Sogar der Stern ist dabei und ich kann ihn wöchentlich beziehen, die Jungs verteilen dann, das wäre wie eine Spende, erzählt er.
An dieser Stelle schmeiße ich ihn raus und ärgere mich, dass ich mich wieder mit so einem billigen Umfragetrick übers Herz habe hebeln lassen. Jedenfalls glaube ich von der Geschichte kein Wort. Sagen tue ich allerdings, dass ich von der Geschäftsidee nichts halte, dass der Zeitungsverkauf an der Haustür von gestern sei. “Die Leute lesen online, niemand will mehr Zeitschriften kaufe”, sage ich und denke an die Geschichte im Journalistenmagazin “Wenn Journalisten ihre Bücher selbst vertreiben.” An der Tür grinst er noch mal und dreht sich um: “Ich habe schon 36 Abos verkauft, so schlecht kann das Geschäftsmodell doch nicht sein.” Ich fasele etwas von ältere Menschen über den Tisch ziehen. Er setzt noch einen drauf: “Nein, es waren auch viele junge dabei. ” Vermutlich so jung und blauäugig wie ich vor 30 Jahren. Im Internet finde ich Betrugsgeschichten zum Stichwort Schülerbotendienst. Auch die Geschichte mit den Drogenabhängigen. Höchste Zeit, 36 Abonnementenverträge zu widerrufen. Saseler lasst euch nicht für dumm verkaufen, wacht auf, helft euch selbst!