When truth is dead

When truth is dead

Jeden Morgen begrüßt mich eine heile Welt: Atemberaubende Landschaften, saubere Meere, tiefgrüne Regenwälder. Gelegentlich stehen auch Tiere im Fokus, freie und bestimmt glückliche Wale oder auch lustige Erdmännchen. Was dagegen stets fehlt, ist der Mensch, und zwar inklusive seiner Hinterlassenschaften. Keine Abgaswolken, kein Plastikmüll nirgends. Das würde das intakte Bild auf der Startseite meines Rechners auch erheblich stören: Willkommen im göttlichen Microsoft-Kosmos!

Wenn ich will, kann ich mir über die Microsoft-eigene Suchmaschine auch gleich Informationen zum Ort, dem jeweiligen Nationalpark oder der Sehenswürdigkeit, anzeigen lassen. Aber das interessiert mich in der Regel nicht. Ich denke, das Bild ist sowieso von Tourismusverbänden gesponsert und fern jeglicher Realität: Einfach zu schön, um wahr zu sein.  

Bei Microsoft ist die Welt noch in Ordnung

Was macht es eigentlich mit uns, wenn die Einzigartigkeit, die uns ausmacht, verschwindet? Wenn am Rechner Menschen erschaffen werden, die es gar nicht gibt und die dennoch mehrere tausend Follower haben? Wenn man zwischen Wahrheit und Fälschung tatsächlich nicht mehr unterscheiden kann?

The Truth is dead“ heißt eine Ausstellung der britischen Fotografin Alison Jackson, die in diesem Sommer in Stockholm zu sehen war. Die Künstlerin inszeniert Persönlichkeiten aus der Politik, Wirtschaft oder der Unterhaltungsbranche in kompromittierenden Situationen, etwa einen kopulierenden Donald Trump oder Bill Gates vor einem Apple-PC.

Das ist keinesfalls nur komisch. Ich habe jedenfalls gerade wieder festgestellt, dass es gar nicht so einfach ist, falsche Identitäten wieder loszuwerden. So hat ein gewisser Jens bei dem Sportausrüster Decathlon irgendetwas bestellt, bei der Bestellung aber leider meine Info-Mailadresse angegeben. Das habe ich erst mal ignoriert. Als sich aber die „noreply“-Mails häuften, es um Zustellung und Bezahlung ging, war ich doch in Sorge. Vielleicht kommt ja tatsächlich ein Paket mit irgendwelchen Sportschuhen in Größe 45, wo ich doch 37 trage! Also habe ich da mal angerufen – und mit Computern in Warteschleifen gesprochen, die meine Kundennummer wissen wollten. Dann doch lieber die Mail, erst freundlich, dann energischer unter dem Betreff:

Wie schon geschrieben habe ich nichts bestellt und logischerweise auch nichts erhalten, nehmen Sie mich sofort von Ihrem Verteiler

Mein Betreff…

Die Antwort kam umgehend:

Hallo Jens ,

Danke für deine Nachricht.
Du wirst schnellstmöglichst unsere Antwort erhalten.

Mit sportlichen Grüßen
Dein DECATHLON Team

…. und die Standardantwort

Die schnellstmögliche (so müsste es heißen!) Antwort kam übrigens nie an. Logisch, die haben mich jetzt endlich aus dem Verteiler genommen, so dachte ich. Pustekuchen! Vor kurzem hat mich wieder eine Mail erreicht, genau genommen ging sie an Jens. Wegen die Änderung der AGBs. Jens hat dazu noch ein Widerspruchsrecht bis zum 12. August 2019.

Ich würde ja gern widersprechen, aber ich habe ja nicht mal den Vorgänger-AGBs zugestimmt. Und würde das überhaupt irgendwen interessieren?

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