Angebellt und nicht abgeholt!

Angebellt und nicht abgeholt!

Zur Politikerin werde ich es nicht bringen. Und das hat weniger mit diplomatischem Feinsinn – den haben längst nicht alle Regierungschefs – als mit dickem Fell zu tun. Shitstorms, Hassmails, ständig Angriffsobjekt, das kann einem ganz schön den Schlaf rauben. Mir haben schon Vorstufen gereicht.

Typ Besserwisser: Hemmungslos beleidigen

Da ist beispielsweise Typ Besserwisser, der einen historischen Fehler in einer zeitgenössischen Reisegeschichte zum Anlass genommen hat, mich mit höhnischen Mails zu bombardieren. Die erste Mail lese ich quer und lösche sofort, die zweite lösche ich ungelesen. Aber er bleibt hartnäckig und ich erkläre schließlich, wie es zu dem Fehler kommen konnte, entschuldige mich dafür und erbitte mir zukünftig einen anderen Ton. Das stachelt ihn erst recht an. Ich sei wohl eine Mimose, oder was? Die Flut landet von da an im Spamfilter und versiegt irgendwann.  

Typ Izmirübel: Es geht ja nicht um dich!

Oder Typ „Izmirübel“: Gießt dir Vorwürfe vor den Bug und taucht dann ab. So geschehen in diesem Frühjahr im Kontakt mit einer Redakteurin eines Gesundheitsmagazins. Genauer gesagt mit ihrer Stellvertreterin. Dabei hatte es zunächst vielversprechend begonnen, es gab Interesse und die ausdrückliche Bitte, die Vertreterin mit einzubeziehen.

Ich schreibe also zwei freundliche Mails an beide Damen, eine im Dezember, eine im Februar, probiere es telefonisch, auch bei der Stellvertreterin: Im dritten Anlauf gibt die Zentrale sogar ihre Durchwahl heraus! Da aber niemand abhebt oder antwortet, ziehe ich schriftlich den Schluss, dass wohl kein Interesse mehr an dem Thema bestünde. Auf einmal geht es mit der Rückmeldung schnell und sie wiegt schwer: Die Kollegin, schreibt die Stellvertreterin, liege seit einer schweren Operation im Krankenhaus und bei ihr selbst hätte ich es ja nur einmal versucht! Wie zum Beweis hängt statt meines Schreibens nur noch meine Nummer unter der Mail, die mit den Sätzen endet:

„Ihre unangemessen harsche Ansprache finde ich daher recht irritierend. Unter diesen Umständen sehen von einer Kooperation ab.“

Peng. Nicht das fehlende Personalpronomen, nein, das kleine Wort „unangemessen“ irritiert mich: Angemessen hätte ich ja nur reagieren können, wenn ich von der Erkrankung gewusst hätte. Und worauf bezieht sich „unter diesen Umständen“? Auf den harschen Ton? Dann wäre die Reaktion ja eher unsachlich. Auf die Unangemessenheit? Auf jeden Fall kann man schlecht von einer Kooperation absehen, an der man gar kein Interesse hat!

Aber natürlich ist mein Mitgefühl für die Kollegin geweckt. Eine schwere OP – das ist existentiell, macht betroffen und mein Anliegen geradezu profan. Ich greife zum Telefon, niemand hebt ab. Ich verschicke eine Mail und entschuldige mich – ich erhalte keine Antwort. Und genauso geht es in den kommenden Wochen weiter: Mails und zig Anrufeversuche zu den unterschiedlichsten Zeiten gehen ins Leere.

Typ DTG20: Unterwegs in Osaka

Man muss eben als Politiker auch loslassen können, die eigenen Ziele immer im Blick behalten und dafür so manchen Affront über sich ergehen lassen. Vor allem, wenn man auf Typ DTG20 trifft: Lobt dich beim persönlichen Händedruck in den höchsten Tönen und macht dich schlecht, sobald du ihm den Rücken drehst. So wie Trump Merkel gerade wieder eine „fantastische Person“ und „großartige Freundin“ nannte. Das sind ein paar Superlative zu viel für eine Profipolitikerin: Merkel lässt die Charmeoffensive regungslos an sich abperlen.

Nein, zur Politikerin reicht es bei mir nicht, aber lernen kann ich von ihr allemal!

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