Vor drei, vier Jahren machten sie noch fette Schlagzeilen, die Turbo-Abiturienten, die unter den vielen Husch-Husch-Reformen, der Verdichtung und Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre ächzten und über Wochenstunden von bis zu 50 Stunden klagten. In Hamburg gab es in diesem Schuljahr eines der kürzesten Semester aller Zeiten: es begann am 30. Januar – mit einem Ferientag und endet am 20. Juni. Dazwischen liegen zwei Wochen Märzferien, eine Woche Maiferien und ein Brückentag zwischen Himmelfahrt und Wochenende. Macht genau 61 Schultage, wenn denn nichts ausfallen und verkürzt würde. Wird aber, es gibt die Ganztagskonferenz, den Aktionstag (für einen guten Zweck), das mündliche Abitur (wo alle anderen Schüler ein bis drei Tage frei haben) und manchmal auch noch den Lehrerausflug. Bleiben großzügig gerechnet 57 Schultage. Ein sportliches Pensum, um Grundlagen in 14 Disziplinen zu legen, finde ich. Was macht aber die Schulbehörde: Sie legt die Abgabe der Zeugnisnoten auf den 16. Mai, fünf Wochen vor Schulende. Begründung: alle Kinder sollen die Möglichkeit haben, sich mit Ihrem Zeugnis in anderen Bundesländern zu bewerben! (Wo ja die Ferien nur in Brandenburg und Berlin so früh wie in Hamburg, sonst überall später anfangen.) Und wo man weiß, dass die Zeit nach der Zensurfestlegung oft nicht mehr wirklich produktiv ist.
Ich gebe mal ein Beispiel aus dem Schulleben meiner Tochter: Die hat gestern mit ihrem Kurs “Darstellenden Spiel” eine sehr innovative Vorstellung von “Alice im Wunderland” gegeben, ein Projekt im Rahmen der Zusammenarbeit von “Theater und Schule”, kurz TuSCH. “Alice Anders” hieß der bunte Mitmachzirkus, bei dem wirklich alles anders war: Weil der Kurs zu groß war, spielten alle phasenweise Alice gleichzeitig (was nicht einfach zu verstehen war). Außerdem wurde die ganze Schule zum Wunderland erklärt und damit zur Bühne und die Zuschauer mussten mitlaufen. (Dass es im Strömen gießen würde, hatten die Lehrerinnen offenbar nicht eingeplant. Weil das aber der Fall war, landeten einige Szenen buchstäblich in der Pfütze und der Schirm des Nachbarn versperrte die Sicht, sehr schade!) Ich finde “Darstellendes Spiel” super. Die Schüler lernen Verantwortung zu übernehmen, Teamgeist, Disziplin, erwerben Selbstbewusstsein, leben Kreativität aus. Aber ich meine auch, das darf nicht auf Kosten der Grundlagen in den anderen Fächern gehen: Letzte Woche hatte meine Tochter zwei Tage unterrichtsfrei, um sich ganz aufs Theaterspielen konzentrieren zu können. Am Dienstag nach Pfingsten ist sie später in die Schule gegangen, weil sie Pfingstsamstag so lange draußen in der Hitze proben musste. Heute ist sie später in die Schule gegangen, weil sie gestern drei Stunden hintereinander im Regen aufgeführt hat. Pech für den Mathelehrer, der montags und freitags dran ist und hat nun nach Ostern, Pfingsten und der Ganztagskonferenz noch sechs weitere Stunden einbüßen musste. Oder besser gesagt, Pech für die SchauspielerInnen: Für die heißt es nach Tusch kommt Mathe husch, husch, denn der Lehrer wird den Stoff mit der verbliebenen halben Klasse zügig vorangetrieben haben. Warum auch nicht, wann muss schon die Kunst zulasten von Mathe Federn lassen? Obwohl beide Disziplinen gleiche Bedingungen haben: ein verdammt kurzes Schuljahr!