Netzwerktreffen bei einer Freundin. Eine Grafikdesignerin berichtet von ihrem Ersttermin beim Steuerberater. Der setzte sich breitbeinig vor sie hin und bemerkte großkotzig:
Für so einen Verdienst, wie Sie ihn haben, würde ich morgens nicht einmal aufstehen. Das schaffen mir die Wertpapierfonds ohne jedes Zutun ins Haus. |
Da sie steuerlich zusammen veranlagt werden, ist der Ehepartner der Designerin mit von der Partie und springt sofort auf das hingehaltene Stöckchen auf, kocht hoch und setzt zum Gegenschlag an. Aber seine Frau packt ihn am Arm, zieht ihn hinaus und gibt dem Steuerberater nur kurz zu verstehen:
Dann stehen Sie jetzt besser auch nicht auf. Wir finden nämlich lieber allein hinaus! |
Coole Reaktion, finde ich. Denn natürlich fühlt man sich von so einer abschätzigen Bemerkung verletzt und möchte sich wehren. Aber damit schenken Sie dieser arroganten Person möglicherweise genau die Aufmerksamkeit, die diese gerade braucht – und vergeuden Lebensenergie. Ändern werden solche Leute sowieso nicht! Dennoch schon merkwürdig: Warum macht so ein gestandener Steuerberater das? Will er die “Peanuts” nicht? Dann soll er den Termin gar nicht erst annehmen. Macht ihm das Kundenvergraulen Spaß? Dann sollten solche menschlichen Abgründe vielleicht doch zum Schutze seiner Klienten über Facebook, Twitter oder www.bewerte-Deinen-Steuerberater.de publik gemacht werden.
Im Internet-Zeitalter, sagen amerikanische Social Media Pioniere, wie Gary Vaynerchuk (“Die Thank you Economy“) oder Josh Bernoff und Ted Schadler (“Empowered– Die neue Macht der Kunden”) schlucken die Kunden nicht länger die Formulierungen der PR-Abteilungen, sondern melden sich zu Wort und twittern Ärger, Unzufriedenheit und Frust von der Seele. Ich persönlich weiß zwar nicht, wie das in 140 Zeichen gehen soll, aber ich bin auch Neueinsteigerin. Allerdings bezweifele ich, dass die Unternehmen, denen die Autoren wärmestens den Erwerb von Social Media Kompetenz ans Herz legen, tatsächlich eine echte Beziehung zum Kunden aufbauen wollen. Zu allen Kunden? Nein, zu denen die finanz- und meinungsstark sind, siehe das Beispiel vom Steuerberater. Die anderen werden über günstige Preise und Gewinnspiele abgespeist. Habe ich gerade erlebt, als ich zum ersten Mal einen Flug über das Internet gebucht habe. Die Suchmaschine kayak.de spuckt tolle Angebote aus, die dann, wenn man sie buchen will gar nicht mehr verfügbar sind. Das erfahre ich aber bei flüge.de erst einen Tag später, brauche aber aus “Kulanzgründen” dann auch nichts zu bezahlen. Wie großzügig, denke ich mit Schaudern. Cheaptickets will keine meiner angebotenen Zahlmöglichkeiten akzeptieren und bei bravofly muss ich auf einmal viel mehr zahlen – habe ich irgendwo vielleicht das Mietauto oder ein Hotel angeklickt? Richtig, im Reisebüro müsste ich 50 Euro mehr zahlen, aber lohnt sich das nicht vielleicht? Ich versuche es noch einmal mit ebookers, hier muss ich sofort, innerhalb von 15 Minuten zahlen, sonst sind alle meine Eingaben weg. Fieberhaft suche ich nach dem Tanjack der Haspa. Hat das jetzt geklappt? Die Antwort erhalte ich nicht nach 15 Minuten, sondern am nächsten Morgen. Die Bestätigung der Reservierungsanfrage und sogar auch die Reisedokumente liegen im Postfach. Da muss man ja schon fast dankbar sein, dass man buchen durfte. Thank you ebookers!