Telefonieren ohne Tabus und Surfen auf der Serviette : Jeder sechste geht sogar auf dem Klo ans Handy, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage der Stiftung Internetforschung im Auftrag einer Versicherung. Demnach sind mehr als ein Drittel der Deutschen rund um die Uhr erreichbar. Eben auch in einem edlen Restaurant am Feierabend, in das ich neulich einen Freund einlud. Ich kam fünf Minuten zu spät, da lag das schicke iphone längst auf der weißen feinen Damasttischdecke – blieb da liegen und erinnerte mich ein wenig an den Wilden Westen: Die Knarre muss immer in Reichweite sein. Wir haben uns dennoch gut unterhalten, nichts hat geblinkt oder vibriert und ich habe das Phone auf dem Tisch einfach smart übersehen. Als mein Freund bei der nächsten Station, einem Weinlokal, aber anfing, parallel digitale Nachrichten auszutauschen, war der Abend bald gelaufen: Multitasking kann das Handy, beim Menschen handelt es sich in den meisten Fällen um Selbstüberschätzung und im direkten Gespräch ist es ein ziemlicher Affront: Seit wann sind Nichtanwesende wichtiger als Anwesende?
Vermutlich seit es Twitter, Facebook und Whatsapp gibt. Aber warum ist das so wichtig geworden, dass wir die guten Manieren unter den Tisch fallen lassen? Twitter, sagte eben dieser Freund am besagten Abend, würde mehr und mehr zum Kotzbrockenkanal verkommen: “Was soll ich auf einem Kanal, auf dem gepöbelt und gemault wird, was das Zeug hält?” Nun, wer zwingt einen denn dazu Twitterern wie “Himmelarschundzwirn” zu folgen? Und selbst, wenn man nur 30 aktiven Personen folgt, verfolgen einen die Nachrichten regelrecht. Im Durchschnitt folgt ein Nutzer des us-amerikanischen Dienstes aber sogar 102 anderen Twitter-Accounts, meldet der Blog der Wirtschaftswoche. Und was ist schon der Durchschnitt, wenn unter den Followern gleich einer ist, der fast 69.000 Verfolger hat (weil er mit jedem Neuzugang Kontakt aufnimmt und Punkte zu machen versucht!)
Mit vielen kleinen Fischen die Größe des eigenen Netzes unterstreichen? Ganz ehrlich, das ist genauso hohl wie an der Anzahl der Likes die eigene Wichtigkeit abzulesen. “Facebook ist die neue Bildzeitung”, sagt mein Freund, bevor er wieder zum Iphone greift. Stimmt, denke ich und dass ich die vielen tollen Bilder, Wetterberichte und Verballhornungen in der Regel nicht vermisse, wenn ich da tagelang nicht reinschaue. Dafür meldet Bild, dass Facebook zur Sex-Börse wird. Ja, wenn es denn Bock macht…