“Im Verhinderungsfalle wird der Widerspruchsführer gebeten, dies mitzuteilen”, lautet der Titel des Sprachführers, mit denen die Autoren Hans Fluck und Michaela Blaha zeigen wollen, wie man das Amtsdeutsch erfolgreich entbürokratisieren kann. In der Deutschen Rentenversicherung scheint der Ratgeber noch keine Leser gefunden zu haben. Leider! Dabei ist es weniger die Amtssprache als die Bürokratie, die mir zu schaffen macht. Es geht um zwei Jahre, in denen ich ganz überwiegend meine Tochter erzogen habe und daher zwar viel zur allgemeinen Rentenversicherung beigetragen, aber wenig in meine eingezahlt habe. Da die Geburt des Kindes und damit der Mutterschutz schon im Versicherungsverlauf verzeichnet sind, eigentlich nichts weiter als ein kurzer Zusatz, der schnell erledigt sein sollte. Denkste! Die Rentenversicherung schickt mir Formular um Formular: Vordruck 805, den Zusatzfragebogen zur Kindererziehung beispielsweise. Immerhin nur drei Seiten lang, aber auch den V800 Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten (acht Seiten), V 810 die Erläuterung dazu, V820 Erklärung über die Zuordnung der Kindererziehungszeit… Weil aber der eigentlich wichtige “Fragebogen zu Änderungen seit der letzten Kontenklärung V300”, fehlt, bekomme ich das Ganze noch einmal mit der Post: Insgesamt 20 Formulare, mit Schnitt 4 bedruckten Doppelpapierbogen macht 160 Seiten Papier! Muss man erst einen ganzen Wald fällen, um in Deutschland mitzuteilen, dass man zwei Jahre lang sein Kind erzogen hat. Online wohl gemerkt geht das im Jahr 2011 bei der Deutschen Rentenkasse nicht, jedenfalls nicht für den alles entscheidenden V300. Auf jede Seite soll ich oben meine Versicherungsnummer mit 16 Stellen per Hand eintragen und Fragen beanworten wie: Haben Sie … Zeiten einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit während des Bezuges einer Rente oder Versorung vor Erreichen der für eine Altersrente maßgeblichen Altersgrenze zurückgelegt? Sorry, ich bin nur eine arme Mitbürgerin, bitte sprechen Sie doch mit mir Deutsch! Oder: Waren Sie zwischen dem 17. und 25. Lebensjahr mindesten einen Kalendermonat krank? Okay, das ist kürzer formuliert, die Frage verstehe ich schon, aber wissen Sie, wie lange das für mich zurückliegt?! Ich fürchte, das wollen Sie gar nicht wissen – die Rentenversicherung aber weiß es längst, die hat doch alle meine Daten schon!
1 Kommentar
Gina
29. März 2023Mir aus der Seele gesprochen. Ich habe mein gesamtes rentenrelevantes Leben in einer dt. Stadt verbracht. Alles relevante ist noch dazu digital erfasst bei den Ämtern, von der Geburt bis zum Studium und der Arbeit. Dennoch fordern sie die Geburtsurkunde an, sowie Studienbelege über einzelne Semester. Weil angeblich der Datenaustausch nicht erlaubt wäre. Das wage ich ja stark zu bezweifeln. Immerhin geht es um eine hoheitliche Aufgabe, also Amtshilfe. Aber was ein Amt nicht kann, will es auch nicht tun. Absurdistan.