easy Net: nicht in jedem Fall besser, günstiger, schneller

easy Net: nicht in jedem Fall besser, günstiger, schneller

Früher sah intellektuelles Arbeiten so aus: Man hatte ein Problem, schrieb es auf, dachte nach – mit Glück bis zur Lösung. Heute ist alles ganz anders, wie Science-Fiction Autor Bruce Sterling in einem Essay, erschienen in der FAZ schreibt:

1. Ich gebe das Problem in eine Suchmaschine ein, vielleicht hat es irgendjemand ja schon gelöst.
2. Ich beschreibe das Problem in meinem Blog und studiere die Kommentare mitsamt ihren Links.
3. Ich formuliere mein Problem mit nicht mehr als 140 Zeichen in Twitter – mal sehen, ob ich es so knapp zusammenfassen kann. Und ob es weitergetweetet wird.
4. Ich mache ein quelloffenes Problem daraus und füge einige Instruktionen hinzu, die zeigen, wie weit ich gekommen bin, und schaue dann, ob die Gemeinschaft es ein Stück weiter schafft.
5. Mit Hilfe von Ning starte ich ein soziales Netzwerk über mein Problem, benenne es nach ihm und warte ab, ob sich eine Gruppe um mein Problem bildet.
6. Ich mache ein Video über mein Problem, lade es bei Youtube hoch und warte ab, ob es sich viral verbreitet und ob sich eine Medienkonzentration um es bildet.
7. Ich mache einen Entwurf, der so tut, als wäre mein Problem schon gelöst, designe also irgendeinen Apparat, eine Anwendung, ein Produkt, das etwas mit meinem Problem zu tun hat, und schaue dann, ob jemand es wirklich baut.
8. Ich verschärfe oder vergrößere mein Problem mit einer interventionistischen taktischen Medienaktion.
9. und letztens: Ich suche im „Looking into the Past“-Pool der Online-Fotoplattform Flickr (bei dem jeweils ein historisches Foto mit einer passenden aktuellen Aufnahme kontrastiert wird) nach ein paar hübschen Illustrationen.

Was Bruce Sterling allerdings nicht verrät: wie viel Zeit das kostet. Ich behaupte: mit diesem Vorgehen sammelt man in erster Linie einen Haufen digitalen Materials, überwiegend Lumpen, vielleicht auch ein paar Goldstücke. Aber die herauszufiltern kostet Zeit. Und ob man der Problemlösung damit näher kommt, darf zumindest bezweifelt werden. Bruce Sterling tut das übrigens auch, aber er behauptet durch die Netzöffentlichkeit der Bedeutung, dem Wert und sozialen Rahmen seines Problems näher gekommen zu sein und sieht darin ein Symbol für das Ende der “Druckerschwärze auf Papier”, des linearen Denkens und gar der Historizität. Das wäre dann wohl auch auch das Ende des Romanschreibers – eigentlich schade und kaum zu halten: Jedes Leben hat Anfang und Ende und damit Linearität. Und wie viel wertvolle Lebenszeit ich dem Netz gebe, ist für mich eher die Frage.

Ein ganz banales Beispiel: Ich will einen Londonflug im Internet buchen. Hunderte Reisewebsites auf einmal vergleicht kayak.com und spuckt den Billigflieger easyjet wie im Fluge aus. Kann man und soll man wohl nur im Internet buchen: Also Reiserücktrittangebot (3mal!), Automiete, Hotelvermittlung – alles wegklicken, dann Gepäck dazubuchen, alle persönlichen Daten eingeben (wie ich das hasse) und weiter auf Kreditkartenverbindung – ups wieder neun Euro fünfzig mehr. Zurück auf Lastschriftverfahren, ups, alle Daten sind weggeblasen. Noch mal von vorne, dann anklicken, dass man auch die AGBs gelesen hat: Aber halt, hatte nicht gerade eine Freundin berichtet, dass sie mit unerwarteten Vermittlungsgebühren übers Ohr gehauen wurde. Ich lese also das Kleingedruckte wirklich – da steht etwas von Steuern und Zusatzgebühren, die sich noch ändern können. Ich suche, wie viel das in meinem Fall ist, gehe zurück – und ups wieder alle Daten weg. Ich bin genervt, lese Kundenberichte unter dem Motto nie wieder easyJet und beschließe noch mal im Reisebüro zu fragen. Ergebnis: Ich fliege Lufthansa, und zwar direkt zum stadtnahen Flughafen, günstigeren Zeiten und zu einem Komplettpreis, der tatsächlich komplett ist und auch nur 42 Euro über easyjet liegt. Von wegen alles easy im Netz.


0 Kommentare
Einen Kommentar hinterlassen