Neulich habe ich mich um freie Mitarbeit bei einem Business Magazin beworben. Online, logisch, man geht ja mit der Zeit. Auch wenn das Zeit kostet: Kurz und kompetent auf den Punkt bringen, warum man für dieses oder jenes Thema die richtige Autorin ist. Schon über der Anrede habe ich lange gesessen: Sehr geehrter? Zu steif! Lieber? Zu persönlich! Hallo oder gar Hi? Zu salopp und gewollt jugendlich.
Ich bin da ein wenig „gebranntes Kind“, seit ich eine Mail-Korrespondenz mit dem Leiter eines gerontologischen Forschungszentrums geführt habe. Die Nachrichten begannen alle formvollendet („Sehr geehrte Frau Uhtenwoldt“) und endeten doch überwiegend negativ: Die von mir angefragte Studie? Kennt er nicht! Kurz telefonieren? Ein „Interview“ müsse man vorbereiten, doch dazu habe er in den nächsten 14 Tagen keine Zeit. Schließlich der Hinweis, dass die Kommunikation mit Journalistinnen und Journalisten durchaus zu seinen Aufgaben gehöre und er mit denen sehr wohl spreche. Nur eben nicht in meinem Fall:
Allerdings erwarte ich in der Kommunikation Respekt. Den habe ich in Ihren Mails vermisst. Zu fordernd und drängend waren Ihre Formulierungen. Merkwürdig fand ich auch Ihre (implizite) Unterstellung, ich wolle Ihnen keine Informationen zukommen lassen.
Puh, was war da schiefgelaufen?
- Zu viele Mails (ich habe 16 gezählt!), zu viele Missverständnisse (er verstand und bestand auf Interview, wo ich von einem Hintergrundgespräch geschrieben hatte; ich ging von wissenschaftlichen Studien aus, wo es nur populärwissenschaftliche Zusammenfassungen gab).
- Als die Mailtaktung zunahm, habe ich zweimal auf die Anrede „Sehr geehrter“ verzichtet, das wurde offenbar als Respektlosigkeit empfunden.
- Weil ich 14 Tage vor Weihnachten meine Geschichte am Abgrund sah, habe ich „unter Druck“ gestanden und mich verrannt.
Was man daraus lernen kann:
- Wenn immer möglich: Anrufen!
- Wenn der Anruf stets in einer Zentrale endet, die um eine Kontaktaufnahme per Mail bittet, ist das ein Indiz für Unsicherheit, Kontrollangst oder gar ein Kommunikationsburnout – und auf jeden Fall eine harte Nuss für alle, die auf Gesprächsbereitschaft hoffen.
- Nicht festbeißen, neu justieren: Es gibt zu fast allen Themen nicht minder kompetente, alternative Gesprächspartner.
- Last, but not least: Abstand halten vom Kommunikationsgebaren mobiler Messenger Dienste, wo auf Anrede und Gruß verzichtet wird und man kaum noch von Texten, geschweige denn Talk sprechen kann. (Vom rauhen Umgangston in sozialen Medien ganz zu schweigen, vgl. Rowan Atkinson in der FAS „In den sozialen Medien herrscht der Pöbel“)
Meine Bewerbung habe ich schließlich an „Sehr geehrter“ losgeschickt. Nachfass zwei Wochen später telefonisch. Vergeblich. Also noch eine Mail mit „Lieber“ versendet. Bis heute keine Antwort. Sechs Wochen später wird die auch nicht mehr kommen. Formen und Respekt sind allenfalls Türöffner. Auf der Schwelle sind dann Passung und Persönlichkeit gefragt.