Eine Schande für Deutschland. Das sind alle, die zur Berufsgruppe der Journalisten zählen, sagt Kurt, mein Bekannter. Kurt heißt im richtigen Leben anders, ist aber nicht weniger echt, lebenserfahren (er ist über 70), wohlständig (BMW), einer aus der Mitte, weder verrückt, noch verfolgt. Ich betone das, weil man auf andere Ideen kommen könnte, wenn Kurt alle Journalisten in einen Sack packt und alle Juristen gleich dazu. Weil beide Berufsgruppen nun einmal unsere Politiker lenkten und zwar in die verkehrte Richtung, so Karl. Glaubt er wirklich, was er sagt? Und was soll ich dazu sagen? Ich lasse die Bemerkung einfach an mir abperlen, schreibe sie dem Alkohol und der späten Tageszeit zu. Wir haben in diesen Tagen schon genug mit Polarisierung und Pauschalisierung zu kämpfen.
Ein Schlüssel zum Durchbruch. Das sind alle, die zur Berufsgruppe der Journalisten zählen und auf den Verteiler von Agenturen, Pressestellen und Selbstvermarkter geraten sind. Sie erhalten Post wie diese hier:
Sehr geehrte Damen und Herren, wir bitten um Veröffentlichung folgender Pressemitteilung. Text:
Nichts gegen Nüchternheit, aber so eine Anrede kann man sich schenken, sie ist sogar kontraproduktiv. So wenig wie es einem Medienunternehmen nützt um die Schaltung einer Anzeige zu bitten, so wenig hilft es Unternehmen, Texte zu diktieren und den Versuch als Bitte zu tarnen. Dabei ist es nicht einmal der steife Ton, der die Musik macht, denn die kollegiale Variante ist keinesfalls besser:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, anbei sende ich Ihnen unsere aktuelle Pressemitteilung. Über eine breite Veröffentlichung und Berichterstattung würden wir uns sehr freuen. (…)
Klar, PR und Journalismus sind zwei Seiten einer Medaille, sie sind in ein- und demselben Berufsverband vertreten, aber unter Kollegialität verstehe ich noch immer etwas anderes. Hier die Hoffnung auf „breite Veröffentlichung“, dort die Suche nach „smarten Lesern“, deren Bedürfnisse geweckt und gedeckelt werden müssen. Es hat also immer mit den Interessen anderer zu tun, wenn darüber entschieden wird, was veröffentlicht wird und was nicht. Jedenfalls ist das bei einem publizistischen Organ, das von seiner Verbreitung lebt zumindest die Regel. Daran ändert keine noch so schöne Einladung etwas – jedenfalls in der Regel.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir möchten Sie herzlich einladen, über unsere Veranstaltungen zu berichten. Dazu senden wir Ihnen die beigefügte Mitteilung…Haben Sie Interesse, darüber zu berichten? Melden Sie sich gern!
Was diese Mails mit meinem Bekannten Kurt zu tun haben? Nun, alle meinen nicht mich persönlich. Deshalb ist es eigentlich auch egal, ob ich direkt angeredet werde oder eine Frau Uthenwald oder eine Ute Woldt (alles schon vorgekommen), immer so genau, wie der Verteiler gepflegt wurde. Etwas anderes ist es, wenn man sich die Mühe macht, tatsächlich einen persönlichen Kontakt aufzubauen:
Guten Morgen Frau Uhtenwoldt, (weder noch zu förmlich, noch zu kumpelhaft, passt)
es ist lange her, dass wir miteinander zu tun hatten – ich glaube, es ging damals um Grone und es war für das Abendblatt. (Anknüpfungspunkte schaffen!)
Wie dem auch sei: Mit großem Interesse habe ich am Wochenende gelesen, dass Sie auch für die FAZ arbeiten.
Möglicherweise habe ich hier ein Thema für Sie, das – meinen Sie nicht auch? – eher bundesweit als regional laufen könnte…(Interesse wecken, Aufhänger schaffen)
Wie gesagt, die Inhalte entscheiden, ob es eine Geschichte in die Zeitung schafft oder nicht. Aber ob ich weiter lese, mir Gedanken mache, ein zugkräftiges Thema für den Redaktionsleiter formuliere oder nicht, das hängt sehr wohl auch davon ab, wie sehr ich mich angesprochen fühle, persönlich und als Journalistin!