Not-to-say-list

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Medienschaffende sollten immer genau sein. Sprachlich sowieso. Weil die Sprache unser Denken lenkt. Eine Schießerei, ein Amoklauf, ein Terrorakt? Das macht einen Unterschied. Ausländer-, Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus? Auch das. In Hanau waren es eben weder Ausländer noch Fremde, die erschossen wurden. Darauf hinzuweisen ist richtig und wichtig. Aber alle an den Pranger zu stellen, die von Fremdenfeindlichkeit sprechen, ist übertrieben. Fremdenfeindlichkeit war nie ein positiver Begriff, er steht genau wie Rassismus für eine asoziale Haltung, weil er auf einer feindlichen Gesinnung beruht.

Ist es denn auch Rassismus, wenn eine Hörfunk-Redakteurin (mit Migrationshintergrund, aber das gehört ja auch schon wieder auf die „Not-to-say-list“) bedauert, dass sich nur wenige Menschen mit weißer Hautfarbe an der Mahnwache beteiligen? Natürlich nicht, es gibt nun mal unterschiedliche Hautfarben, Religionen und Kulturen und die müssen wir auch benennen dürfen. Menschenfeindlich wird es, wenn wir sie automatisch mit bestimmten Etiketten versehen.

Zugegeben, der Autopilot in uns neigt dazu: Einmal das Gegenüber gescannt und in „wir“ oder „ihr“ eingeteilt – das ist wohl so ein Relikt aus der Steinzeit. Mit Bewusstmachung, gemischten Teams und gemeinsamen Zielen rückt man dem Schubladendenken und damit auch dem eigenen Rassismus am ehesten zu Leibe, sagen Sozialpsychologen.

Oh sorry, Sozialpsychologinnen sagen das vermutlich auch: Seit Behörden, die Grünen oder auch die „Brigitte“ gendergerecht schreiben, verunsichert mich das. Und zwar nicht zum Positiven. Früher war für mich die Sache klar: Natürlich schrieb ich als Mitglied einer Schülerzeitungsredaktion für die ganze Schule, Mädchen wie Jungen, eben alle Schüler. Heute löst eine 15-Jährige, die als Berufsziel „Ingenieur“ angibt, gleich einen Shitstorm aus. Selbst wenn sie das selbstbewusst vorträgt, so als wollte sie sagen: Mit den Männern kann ich es aufnehmen, die Rolle der Quotenfrau liegt mir nicht und ein Ingenieurstreffen darf kein grau melierter Männerhaufen sein.

Im November werde ich Direktor!

Meeresbiologin Antje Boetius vom Alfred-Wegener-Institut, 2017 im Schülergespräch

Gendersternchen stoßen mir aber auch deshalb übel auf, weil sie die Schriftsprache vom gesprochenen Wort entfernen. Und wenn artig und vorurteilsfrei Politiker, Richter und sogar Genies ein Sternchen bekommen, reden wir doch weiter von der Bundeskanzlerin (ganz ohne Stern), Nobelpreisträgern (meist männlich, schade) oder dem Müllmann (natürlich m/w/d).

Merke: Sprachliche Gleichbehandlung schafft noch keine Gleichberechtigung. Ich fürchte sogar, solange die Diskriminierung nicht aus der Welt ist, solange kriegen wir sie auch nicht aus der Sprache. Aber es lohnt sich allemal, Wahrnehmungsverzerrungen anzusprechen.  

Wie nehmen Sie Not-to-say-lists wahr?

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