Ein Jäger schleift sein gerade erledigtes Reh per Anhängerkuppel nach Hause. Ein Journalist nimmt davon im „Nordkurier“ Notiz und titelt „Rabaukenjäger“. Nun fühlt sich der Jäger beleidigt, klagt – und bekommt Recht: Der Journalist soll 1 000 Euro Geldstrafe zahlen. Das erregt die Gemüter auf Facebook und in den Redaktionen: In einem Kommentar springt der Nordkurier- Chefredakteur seinem Kollegen zur Seite und attestiert dem zuständigen Staatsanwalt „Schaum vor dem Mund“, wenn es um die Presse ginge. Das wiederum erregt den Juristen, der nun – vermutlich mit Schaum vorm Mund – Anklage erhebt.
Keine Posse aus Schilda, sondern eine wahre Geschichte aus dem Amtsgericht Pasewalk im Landkreis Vorpommern-Greifswald. Und aus meiner Sicht geradezu bezeichnend. Bezeichnend für eine Zeit, in der wir nicht mit, sondern lieber übereinander kommunizieren. Lieber die Gerichte beschäftigen, als uns selbst zu hinterfragen. Bezeichnend aber auch für eine Zeit, in der das Renommee der Presse enorm verloren hat und der Journalismus siecht, jedenfalls der von Redakteuren und Rechercheuren, die frei von fremden Interessen recherchieren und berichten. Eben auch über einen Rüpel mit Schießgewehr, der seine Beute kurzerhand an die Anhängerkupplung hängt und damit irgendwie auch schändet. Da ist der Begriff Rabaukenjäger fast noch schmeichelhaft. Und dafür, dass Nachricht und Meinung immer mehr vermischt werden, trägt nicht allein der Nordkurier die Schuld. Das wird erwartet – eben auch von einem Blog.
Wobei die Branche allerdings aufpassen muss, dass sie selber nicht unter die Räder gerät. Die gute Kommunikation und das Miteinander beispielsweise. Die häufigsten Unarten:
• Negieren: Mails bleiben unbeantwortet, Vorschläge gehen unter, Texte werden nicht gelesen. Ein Beispiel: Eine freie Mitarbeiterin weiß, dass Ihr Auftraggeber, ein festangestellter Redakteur einer Tageszeitung, Mails nicht beantwortet und auch nur selten liest. Sie vereinbart eine Textlieferung mündlich, schickt den Text 14 Tage später schriftlich (anders geht es ja auch nicht) und hakt eine Woche später nach. Ergebnis: Der Redakteur hat den Text weder gelesen, noch will er sich an seinen mündlichen Auftrag erinnern.
• Hinhalten: „Danke für Ihren Text“, schreibt mir die Ressortleiterin einer Wochenzeitung. „Ich habe ihn gelesen, da ist noch Einiges dran zu machen, aber da lässt sich auch Einiges draus machen. Mein Kollege wird sich Ihres Artikels annehmen und ihn redigieren. Er kommt in Kürze auf Sie zu.“ Aus der Kürze werden vier Monate, dann entscheidet die Redaktion, dass der Text doch nicht den Anforderungen an eine zeit-gemäße Reportage entspricht.
• Ausblenden: Und mit den hingehaltenen Texten im Stehsatz ist es so eine Sache. Man weiß halt nie so genau, ob sie irgendwann nicht doch noch erscheinen. Mit Glück lesen aufmerksame Mitbürger mit oder irgendwann flattert eine Honorarüberweisung ins Haus. „Belegexemplar? Machen wir nicht mehr“, sagt die Redaktion einer Tageszeitung. Per Mail wohl gemerkt. Im Online-Archiv finde ich denn doch die Veröffentlichung. Und wundere mich: Die Erstversion meines Textes hat es ins Heft geschafft, nicht die Korrektur, die ich auf Wunsch des Redakteurs angefertigt hatte. Warum? „Es hat jemand in den Stehsatz gegriffen, als ich nicht da war…“, schreibt mir der Redakteur. Das ist alles, kein Bedauern, kein Sorry. Und erst recht keine Antwort auf weitere Themenvorschläge von mir.
Was all diese Taktiken gemein ist: Sie signalisieren dem langjährigen freien Mitarbeiter, wir brauchen dich nicht. Das mag ja noch okay sein, wenn die Auftragslage nun einmal so ist wie sie ist, nämlich miserabel. Was aber nicht in Ordnung ist, ist das Signal von Missachtung und Geringschätzung, das dabei mitschwingt.
Achtsamkeit, das ist auch so ein Modewort. Ich wünschte, es wäre auch in der kollegialen Kommunikation in Mode.