Die Chefin eines Umweltmagazins, die für einen Arbeitsweg von knapp vier Kilometern täglich den Wagen bewegt; Studenten, die sich selbst als vorsichtig im Umgang mit privaten Daten bezeichnen und doch eine kostenlose Pizza gegen die E-Mail-Adressen dreier Freunde tauschen; eine Kommunikationsfachfrau, die der Mitarbeiterin per Mail kündigt: Was bitte haben diese drei Fälle gemeinsam? Die Personen sind nicht glaubwürdig, das Verhalten ist nicht stimmig und der Eindruck alles andere als rund. Dabei ist die Fähigkeit, stimmig zu kommunizieren, erfolgsentscheidend. Das sagt zumindest einer, der seit über 45 Jahren Pädagogen, Wissenschaftler und Führungskräfte für eine bessere Kommunikation trainiert – Friedemann Schulz von Thun. Stimmigkeit bedeutet für den Kommunikationspsychologen (in Geo Wissen, Die Kunst zu streiten, Nr. 59):
- In Übereinstimmung mit sich selbst, also authentisch zu sein.
- In Übereinstimmung mit der aktuellen Situation und Rolle zu sein, also angemessen zu handeln und reagieren.
Was allerdings als angemessen gilt, das hängt ganz vom Gegenüber, der jeweiligen Rolle und dem Zeitpunkt ab. Und das macht die Gleichung „authentisch + angemessen = stimmig“ so komplex. Schulz von Thun nennt ein Beispiel: Der Chef hat seine Mitarbeiterin ungefragt zu einer Weiterbildung angemeldet.
- Deren authentische, innerliche Reaktion: „Ja, geht’s noch!“
- Um aber das Rollenverhältnis Chef-Mitarbeiter zu wahren, scheint ihr eine andere Reaktion angemessener: „Danke, dass Sie sich für meine Weiterentwicklung stark machen. Ich habe nur die Bitte, dass wir in Zukunft solche Terminsetzungen vorher abstimmen.“
Das ist angemessen und immer noch authentisch – auch wenn das manche, weniger diplomatische Menschen vermutlich als „Einschleimen“ abtun. Aber was nützt es denn, wenn wir authentisch Porzellan um uns herum zerschlagen und auf dem Scherbenhaufen sitzen bleiben? Damit wir da wieder herunterkommen, rät Schulz von Thun:
- Haltung ist wichtiger als Worte: Der andere muss grundsätzlich das Gefühl haben, respektiert zu werden.
- Dennoch gibt es auch Formulierungen, die eher zur Eskalation beitragen („Du solltest…“, „Du machst das nur…“ und andere Verallgemeinerungen), während andere deeskalierend wirken können („An diesem Punkt liegen wir weit auseinander, das wird jetzt nicht einfach für uns beide!“).
- Ich-Botschaften sind kein Allheilmittel: Wenn sie mechanisch eingesetzt werden, verschleiern sie nur Gefühle.
Schulz von Thun hat sich übrigens aus dem Professorenleben mit einem sehr humorvollen Vortrag verabschiedet. Darin zitiert er aus einem Schreiben der Präsidialverwaltung, die ihn einfühlsam an seinen bevorstehenden Ruhestand erinnerte. So viel Aufwand erwarten freie Mitarbeiter nicht. Aber ein Rauswurf per Mail, ohne die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch, ist unrund. Man sieht sich ja bekanntlich immer zweimal im Leben.
Meine Leitlinie: Mach es gelegentlich bunt, aber in jedem Fall rund, finde die Balance zwischen Effizienz und Menschlichkeit, zwischen Akzeptanz und Konfrontation und verstecke dich nicht hinter Mails und Messenger-Diensten. Konflikte lassen sich sowieso in der Regel nicht schriftlich lösen, besser macht man sich gemeinsam auf den Weg und scheut sich auch nicht vor Meinungsverschiedenheiten. Nur so kommt Neues in die Welt und dennoch stimmt die Kommunikation!