Reich ohne Reichweite

Reich ohne Reichweite

Die gute Nachricht: Es gab Lob für meinen letzten Blogeintrag:

Übrigens schön, dass du das W-Thema in deinem Blog aufgenommen hast – fürchte nur, auch das wird nicht zur großen Stilwende führen. Aber es hat mir gefallen!

Meine Freundin

Das freut mich ehrlich. Erstens, weil meine Freundin ein kritischer Kopf ist. Sie würde nicht schreiben, was sie nicht meint. Zweitens, weil Rückmeldungen die Ausnahme sind. Drittens, weil ich nur durch Feedback weiterkommen kann: Dass die Wärmepumpe schon fast in der gleichen Liga wie das N-Wort spielt und besser nicht ausgesprochen werden sollte – es ist an mir vorbeigegangen.

Die schlechte Nachricht: Viele Leserinnen oder Leser hat der Beitrag wohl nicht gefunden. Google Analytics mag da mehr wissen. Mir reicht das Wissen, dass es welche gab. Der Dialog mit ihnen macht mich reich, nicht das Marketing. Ich interessiere mich für…

  • Key Kontakte statt Keywords
  • Content statt Clickbaiting
  • Der CEO hinter der SEO-Plattform statt Suchmaschinenoptimierung selbst

Too much information

Damit bin ich beim Thema und packe wieder etwas drauf auf den Stapel. Und das wird zu viel. An Input, Angeboten, Gleichzeitigkeit. Andere kommen damit so wenig klar wie ich. Wir reduzieren die Lektüre der Tageszeitung zugunsten von Social Media und News-Tickern. Überlassen die Themenwahl der Filterblase und dem Algorithmus. Und begeben uns damit in die Hände von Agenten, KI-Bots und technischen Relevanzmachern.

Too much Tools

Nehmen wir doch mal „NeuralText“, die „All-In-One SEO-Plattform für die Automatisierund deines Content-Betriebs“, heißt es auf einem Blog über Software und Digitalisierung. Gemeint ist Automatisierung, aber da wollen wir mal nicht so streng sein. Wo Menschen schreiben, entstehen Fehler. Und ich bin nicht sicher, ob sie noch lange schreiben werden. Denn Neuraltext kann das auch. Vielleicht auch nicht fehlerfrei, aber mit subtileren, auf jeden Fall SEO-freundlicheren Fehlern. Ich kann also einen Text schreiben, möglichst auf Englisch, der SEO-Sprache. Den gebe ich Neuraltext samt dem Keyword, das mich in der Suchmaschine voranbringen soll. Und dann macht das Tool Verbesserungsvorschläge. „NeuralText kann anschließend auch die Texte für dich schreiben – so einfach ist das!“, verspricht der Blog. Oder die KI, die nun auch für den Blog weiter schreibt und duzt. Wer weiß das schon so genau.

Wage du, zu irren und zu träumen!

Friedrich Schiller

Dabei ist Neuraltext nur ein Beispiel. Wir könnten auch Jasper.AI, Copycockpit oder Rytr nehmen. KI-Tools für die SEO-Optimierung gibt es viele. Anschließend lassen wir das Ganze gleich noch in über 20 Sprachen verbreiten, „neuroflash“ sei Dank. Intelligente Plattformen mit großspurigen Namen werten die Texte dann aus – lesen wäre zu viel gesagt. Anders gesagt, Bots kommunizieren mit Bots. Der Mensch stört nur, wie beim Aktionärstreffen, einer Bewerbung oder im Meta-Konzern.

Nein, die technische Entwicklung wird nicht dadurch aufgehalten, dass ihr manche nicht folgen können, prophezeite schon vor 70 Jahren der VW-Generaldirektor Heinrich Nordhoff auf einer Pressekonferenz. Damals gab es eine Beschwerde der Bahn über den Erfolg des VW-Busses. Seine acht Sitze wurden als Konkurrenzangebot aufgefasst. Heute schmunzeln wir darüber. Obwohl es ja richtig ist, dass Bahnstreckenkilometer seither erheblich abgebaut wurden.

Aber wenn es nun einmal so ist, dass wir mit dem kleinsten Chip im Smartphone nicht mithalten können, müssen wir uns auf das konzentrieren, was wir besser können und uns reich macht: Echt kommunizieren, nach dem Sinn fürs Ganze und nachfolgende Generationen fragen, sich Ruhe vom Run auf die Reichweite nehmen. Träumen – und irren!

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