Nehmen wir mal an, es gibt eine öffentliche Veranstaltung zu so etwas Grundlegendem wie der Bedeutung der Medien für die Gesellschaft, Impulsgeber sind Medienforscher und Zusammenhangsexperten, darunter ein Verlagsgeschäftsführer und ein Senator für Kultur und Medien – und im Publikum sehr viele ältere Leute! So geschehen auf einer Veranstaltung des deutschen Journalistenverbandes und der evangelischen Akademie – und das mit den Älteren bitte nicht despektierlich verstehen, ich zähle mich als Babyboomer selbstverständlich selbst dazu.
Dass der Zerfall der Gesellschaft in unkommunikative Echokammern für die Jüngeren gar kein Thema zu sein scheint, sehe ich schon als Problem. Auch wenn Uwe Hasebrink, Direktor des Leibniz-Institut für Medienforschung, besser bekannt als Hans-Bredow-Institut, zu beschwichtigen suchte:
- Die Nachrichtennutzung sei stabil, wenn auch bei rückläufigem Interesse: Heißt das, man liest, hört, sieht mit weniger Aufmerksamkeit? Vielleicht, weil es einfach zu viel gleichzeitig zu lesen, hören und sehen gibt?
- Für ein gutes Fünftel der 18-24-Jährigen seien soziale Medien die Hauptinformationsquelle: Das sagt aus meiner Sicht erst mal gar nichts, denn wenn ich beispielweise der FAZ auf Facebook, dem Spiegel auf Twitter und dem ZDF auf Instagram folge, kriege ich ja sehr wohl Antworten auf Fragen, die ich gar nicht gestellt habe, es werden also „ungerichtete Informationsbedürfnisse“ angesprochen, wie es im Fachjargon der Forscher heißt. Aber wie viele 18-24-Jährige tun das?
- Die Filterblase sei empirisch nicht nachzuweisen, weil die Menschen mehr als ein Medium nutzten: Aber welche genau? Wenn sich der Medienkonsum auf Bibis Beauty Palace und die N-Joy-Nachrichten beschränkt, bleibt eine Menge Information auf der Stecke.
HAW-Medienwissenschaftler Christian Stöcker hat das eindrucksvoll mit einer Datenwolke auf den Punkt gebracht: Wie man mit jedem Klick weiter ins Extreme kommt bei Suchbegriffen wie „Demonstration“ und „Chemnitz“!
Wozu wir weiterhin Journalisten benötigen:
- Erstens als Wächter der Demokratie und zur Kontrolle der Mächtigen
Wow, geht es auch eine Nummer kleiner? Ja, aber nicht kürzer:
- Zweitens als Rechtedurchsetzungsbeschleuniger
Die Kieler Journalistin Kerstin Tietgen hat das in ihrem Plädoyer für den Lokaljournalismus deutlich gemacht: „Einen Tag nach unserer Berichterstattung kamen die Handwerker und haben den Schimmel in der Vonovia-Mietwohnung entfernt – nur einen Tag später!“
- Drittens als Zusammenhangsexperten
Die Formulierung stammt von Carsten Brosda. Der frühere Journalist, jetzige Hamburger Mediensenator und Buchautor legt Wert auf eine Gesprächskultur, die auf gemeinsame Grundlagen aufbaut und sich auch gegenseitig zuhört.
- Viertens als Spiegel der Gesellschaft
Man sollte für eine ausgewogenen Mitbestimmung auch Dinge wissen, die einem im Zweifel (bisher) nicht interessierten. Dafür muss man allerdings auch mal die Klappe halten und die Sinne öffnen können. Und eben nicht noch immer eine Meinung mehr auf den großen Haufen setzen – und sei es mit einem Blogbeitrag.
Wenn das nicht ein gutes Schlusswort ist…