Kvinnhä…? Zwischen Kontrollverlust und konstruktivem Journalismus

Kvinnhä…? Zwischen Kontrollverlust und konstruktivem Journalismus

Deike Uhtenwoldt | PR Journalismus Training

Preisfrage: Wie heißt Europas beste Lokalzeitung des Jahres? Okay, ich wusste bis eben selbst noch nicht, wer auf dem European Newspaper Congress, 21. bis 23. Mai 2017 in Wien, das Rennen machen wird, aber das steht wohl schon fest: Es ist eine schwedischsprachige Tageszeitung in Finnland mit einer Auflage von 35.000 Exemplaren und dem Namen „Hufvudstadsbladet“! Scheint so, als ob die Skandinavier ein besonderes Händchen für Lokalblätter haben. Im Jahr der Umbrüche und des Unerwarteten wurde nämlich Kvinnheringen zur besten Lokalzeitung gewählt. Sie gehört zu Kvinnherad – eine Kommune im südlichen Fjordnorwegen, wie immerhin Google weiß. Ein Fremdenverkehrsamt, ein DanCenter-Ferienhaus, Küste, Meer, Frieden. Dort gibt es eine Zeitung mit langen Texten, großen Bildern und weißen Rändern. Auf der Seite des Mediendienstes kress.de kann man sie ansehen und lesen – wenn man Norwegisch kann.

Das ist mir leider nicht vergönnt und so darf ich mir eigentlich kein Urteil erlauben. Aber in Zeiten, in denen überall und ungefragt Meinungen und Dinge in die Welt gesetzt werden, gebe ich auch mal die vornehme Zurückhaltung auf: Eine Mischung aus Frauenmagazin (Stricken auf dem Titel – und als roter Faden im Blatt, gemalte Herzen bei der Geschichte über Traumjobs) und Fachblatt der Metallverarbeitenden Industrie (dafür aber mit wirklich schönen Bildern), aus „Landlust“ und Anzeigenblatt (Edeka lässt grüßen). Aber damit schließe ich von Äußerlichkeiten auf Inhalte – nicht fair!

Und da sind wir vielleicht schon beim Kern des Problems: Content ist nach wie vor King. Ich jedenfalls will keine Lokalzeitung, die nur noch auf den eigenen Nabel schaut und ihn für die Welt hält. Klar, der Typ des „Generalanzeigers“ hat ausgedehnt, wenn nun einmal soziale Medien die erste Anlaufstelle für Information geworden sind. Daher gelte „Lokales vor“, so betonen viele Medienwissenschaftler. Von mir aus gern, aber ich will über das Lokale auch die globale Welt verstehen und nicht total hyperlokal bleiben und etwa über irgendwelche Hundehütten-Eröffnungen lesen, wie es Joachim Braun, Chefredakteur der Frankfurter Neuen Presse im Journalist-Interview (11/2016) formulierte, sondern „Geschichten, die über den Anlass hinausgehen“, die weder banal, noch belanglos sind.

Aktuellen und zukünftigen Mitgliedern der European Newspaper Award Jury möchte ich meine drei besten Tipps für eine gute Lokalzeitung mit auf den Weg geben:

  • Mülltrennung erwünscht! Zeichnet bitte kein Blatt aus, indem Informationen nicht auf ihre Quelle, Güte und ihren Wahrheitsgehalt geprüft wurden. Wichtig in Zeiten von „Fake News“ und Journalistenbashing.
  • Weißraum darf sein, wenn er Licht ins Dunkel bringt! Nutzt den Platz für hintergründige Analysen oder gesellschaftliche Debatten auch im Lokalen. Legt Ankündigungen oder Ereignisberichte ins Internet.
  • Lösungen lösen die Diskrepanz zu den Nutzern! Klar dürfen Fehlentwicklungen und Skandale nicht unter den Tisch fallen, aber konstruktive Vorschläge, wie Probleme gelöst werden können, erst recht nicht.

Apropos: Hufvudstadsbladet bedeutet übersetzt „Hauptstadtblatt“, die Zeitung erscheint in Helsinki, was nicht wirklich lokal ist und erklärt, warum auch nationale und internationale Themen darin ihren Platz finden. Na bitte, geht doch!

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