Nein, es geht mir nicht um die Pakete. Die nehme ich immer ganz freundlich für die Nachbarn an, die fleißig im Internet bestellen, aber nie zu Hause sind, wenn der Postmann klingelt. Dafür bin ich ja da, im Home Office und wundere mich über Tweets wie den von Mia, der Küchenchaotin:
Lieber DHL-Bote,ich weiss nicht,warum du um 10.21Uhr nicht geklingelt hast. ICH WAR HIER UND HAB AUF DICH GEWARTET! Aber danke für die Karte.
Nein, über Pakete, die nicht oder nur beschädigt ankommen, kann ich wirklich nicht klagen. Vielmehr als um die Dienstleistung geht es mir um die Dienstleister, Leute, die hart arbeiten und nicht immer gerecht entlöhnt werden und um Subunternehmer, die noch härter arbeiten und noch weniger gerecht entlöhnt werden. Davon jedenfalls berichten haarsträubend mein Mann – über einen ehemaligen Klienten aus der Bewährungshilfe – und mein Computerdienstleister, der stets und ständig mit allen möglichen Versendern zu tun hat. Vielleicht nur Einzelfälle. Jedenfalls, wenn man dem Anzeigenmagazin “Top Arbeitgeber” glaubt, das mir da mit der Abendblatt Wochenendausgabe auf meinem Wohnzimmertisch geflattert ist. Unter Dienstleistung Top Arbeitgeber Seite 14 steht DHL. Okay es ist eine Anzeige und im kleingedruckten Impressum steht “Für die Inhalte der PR- und Anzeigentexte sind die Unternehmen selbst verantwortlich.” Aber es gibt immerhin auch die Abendblatt Seite Hamburgs beste Arbeitgeber, da kann man schon mal durcheinander kommen. Und dann die vielen Siegel, mit denen sich DHL als ausgezeichneter Arbeitgeber auf Seite 15 rühmt: “Absolventa-Siegel” (nie gehört), “Fair Company” und “Top Arbeitgeber 2014”!
Wir leben im Zeitalter der Zertifizierung, die manchmal zum Wahn wird, wie der Züricher Pfarrer Thomas Binotto schreibt:
Wirkliche Überlebenschancen hat im Zertifizierungsdschungel nur derjenige, der sich eine schlagkräftige Vor- und eine Nachhut leisten kann – Qualitätsmanagement nennt sich das. Nachdem wir uns im 20. Jahrhundert von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft entwickelt haben, werden wir im 21. Jahrhundert von der Dienstleistungs- zur Qualitätskontrollgesellschaft mutieren. Bis wir am Ende überhaupt gar nichts mehr produzieren – ausser Zertifikaten.
Wie leben auch im Zeitalter der Hochglanzbroschüren. Die Zeitungskrise hat nämlich auch einen Gegenspieler. Den Boom des Corporate Publishing. “Von wegen Printkrise”, sagt meine Freundin, die in einer PR Agentur arbeitet. “Es wird gedruckt, was das Zeug hält.” Story Telling, Paid, Owned, Earned Media, Deepening (Vertiefung von Kampagnenaussagen durch Storytelling), Broadening (Transfer der Botschaften in die Breite) und was das Marketing da noch so an Kauderwelsch bereithält. Egal. Mich beschäftigen da nur zwei Fragen: Wer steigt da überhaupt noch durch? Und wer soll das ganze Zeugs lesen?