Früher habe ich meinen Eltern oft gegrollt, heute bin ich dankbar. Google sowieso. Schließlich erzielt mein Name hohe Trefferquoten – und nicht allzu viele ungebetene Ergebnisse. Sofern man ihn einigermaßen richtig schreibt, was zugegebenermaßen kompliziert ist. Als die Rezeptionistin meines Fit-Wellness-Tempels meinen Namen gerade nicht in der Datei finden wollte, habe ich ihr entnervt „Ulrich – Heinrich – Theodor…“ ins Telefon diktiert. Anschließend war mir das fast peinlich: Wer die Buchstabiertafel von 1983 noch so aus dem Effeff beherrscht, gehört in die Seniorensportgruppe. Oder?
In Deutschland gibt es bekanntlich für alles eine Norm, sogar für das Diktieren: DIN 5009 regelt das Buchstabieren am Telefon. Ich habe nie darüber nachgedacht, warum erst an vorletzter Stelle meiner Buchstabierarie ein Mädchenname fällt („D wie Dora“) und mittendrin weder Nora noch Niklaus thronen, sondern ausgerechnet der „Nordpol“. „N wie Nazis“ waren es, die bei der Überarbeitung des Buchstabieralphabets „Nathan“, „Jakob“ und „Zacharias“ liquidierten.
Keine Frage, Namen unterliegen zeitgeschichtlichen Prägungen. Dabei sind Anton, Charlotte und Paula nicht nur geeignet, „Textinformationen störungstolerant weiterzugeben“ (laut Wikipedia), sondern auch wieder schwer im Kommen. Während Chantal und Kevin schon lange nicht mehr fürs Buchstabieren, sondern fürs Witzemachen herhalten müssen. Dennoch: Zu wenig kulturelle Diversität ist dem Deutschen Institut für Normierung ein Dorn im Auge. Es schlägt dagegen Städtenamen zwischen Augsburg und Zwickau vor. Und übersieht dabei: Köln oder Cologne, das ist weniger eindeutig als Kaufmann. Vogtland würde zudem bei „Stadt-Land-Fluss“ nicht durchgehen. Und wie schreibt man eigentlich Iserlohn? Aus meiner Sicht ist da auch nur wieder Streit vorprogrammiert.
H wie Haltung
Gegenvorschlag: Warum nicht allen Neuankömmlingen, Ewig-Gestrigen und „Basisdemokraten“, die ernsthaft behaupten, in einer Diktatur zu leben, die wichtigsten Schlagworte aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mit auf den Weg geben, vom Asylrecht bis zur Zensurfreiheit?
Machen wir doch mal die Probe aufs Exempel. Was können Sie sich besser merken:
- „Ulm-Hamburg-Templin…“
- „Unna-Hannover-Tübingen…“
- „Unabhängigkeit-Heimat-Treue“? (Treue zur Verfassung Art. 5(3), versteht sich! Und falls Sie fragen, „Heimat“ findet sich in Art 3(3), niemand darf wegen seiner Heimat oder Herkunft bevorzugt oder benachteiligt werden.)
Ganz im Ernst: Wenn eine Partei Stimmen gewinnen will und dabei für „Unabhängigen Journalismus“ mit Seiten wirbt, die wie kenfm, rubikon oder Reitschusters Blog in vielen Beiträgen auf Faktenfreiheit basieren, ist das vom Pluralismus und unabhängigen Journalismus weit entfernt. (uht)