Ich vernetze mich, also bin ich

Ich vernetze mich, also bin ich

Eine Kollegin macht sich Sorgen, weil sie online zu wenig vernetzt ist und sie überlegt, ob und was sie in Sachen Social Media unternehmen sollte. Sie schreibt:

Da ich weder bei Xing noch bei Facebook bin, auch nicht twittere oder blogge, habe ich so langsam das Gefühl, ein wenig den Anschluss zu verlieren.

Nun, ein wenig kann ich die Unruhe verstehen. Hatte nicht gerade das Politikmagazin Monitor über die digitale Revolution berichtet, die auch Internet-Abstinenzler überrollt. Darunter auch die Aussage eines Internet-Unternehmers, Eric Lefkofsky, dass sich jeder prinzipiell verdächtig mache, der sich nicht im Netz offenlegt:

“Es gibt keinen Grund, Menschen anzustellen, über die wir in einem sozialen Netzwerk nichts herausfinden können.”

Dabei ist es natürlich für eine Journalistin gar kein Problem, sich eine Identität in einem sozialen Netzwerk anzulegen. Aufwändiger ist es dann schon zu entscheiden, was ich da von mir preisgebe, wie ich das nutze und welche meiner Aktivitäten sehen und gemeldet werden. Ich persönlich finde diese Statusmeldungen ja immer höchst peinlich: Stephanie wünscht einen guten Start in die Woche, Martin hat sein Profil aktualisiert und Clemens hat Ingo als neuen Kontak. Belangloses Zeug, dass dennoch nicht folgenlos bleibt – und erstaunlich oft auch noch von anderen als “interessant” (Xing) oder “gut” (Facebook) bewertet wird. Aber das ist mindestens genauso bescheuert, wie die allerprivatesten Telefonate, die ich mir in der S-Bahn anhören muss – auch nur eine Inszenierung einer Verbundenheit, wie die Psychologin Christina Schachtner schreibt.

Soziale Netzwerke bieten neue Kontaktflächen und damit viele potenzielle Chancen, sagt Chaosforscher und Coach Jens Braak. Aber  nur, wenn wir die Regeln der erfolgreichen Kontaktanbahnung auch im Netz beherzigen. Dazu gehört:

1. Echtes Interesse an der Person signalisieren. Dies geschieht in der Regel nicht, durch vorgefertigte Formulare (“Ich möchte Sie gerne zu meinem beruflichen Netzwerk auf LinkedIn hinzufügen”, schreibt mir Stefanie, mit der ich mich seit 13 Jahren duze). Auch die englischsprachige Variante, wenn man in einer Stadt lebt und dieselbe Sprache spricht, kommt kaum besser an.

2. Frei von Erwartungen bleiben: Der eine oder andere Unbekannte hat mich auch schon in sein Netzwerk eingeladen. Beispielsweise, weil wir in einem Stadtteil wohnen. Das fand ich noch ganz okay und habe die Anfrage bestätigt. Als nächstes kam dann eine unpersönliche “persönliche Nachricht”: Ein vorgefertigtes Schreiben, warum sich der Unternehmensberater seit frühesten Jahren monetären Fragen widmet und was ihn beruflich antreibt. Das wollte ich aber gar nicht wissen und hatte das Gefühl, der will einfach nur ein möglichst großes Netzwerk aufweisen.

3. Offenheit bewahren: Fehlt nur noch, dass mir der neue Kontakt eine Finanzberatung anbietet. Nun, ich habe seine Frage, was mich denn so täglich neu motiviert, nicht beantwortet. Ich war ja auch nicht persönlich gemeint.

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