Aus die Mail

Aus die Mail

Neulich hatte ich wieder einen Rückfall. Dabei habe ich mir längst geschworen, nicht mehr mitzuspielen beim Pingpong, also den Mails mit mittelgroßem Verteiler, über den etwa ein gemeinsamer Termin imagesgefunden werden soll und jeder noch mal seinen Senf dazu gibt. Von dämlichen Rückfragen („wann und wo jetzt genau?“ – obwohl das längst geschrieben steht, nur eben 480 Zeichen weiter unten) bis zu überflüssigen Kommentaren („bin dabei, freu mich“). Und natürlich immer alles an alle. Als wären  Tools wie doodle.com noch nicht erfunden.

Daher bin ich ein Fan des Telefons. Wieder geworden. Nicht, dass mich das Klingeln nicht auch schon mal gestört hätte, wenn ich gerade gedanklich ganz woanders bin. Aber dann kann ich das sagen, wenn ich ganz wichtig bin, sogar Sprechzeiten einrichten oder muss gar nicht erst abheben. Dafür gibt es schließlich die Mailbox. Aber im Prinzip ist das Telefon viel schneller und effizienter als jede SMS, Whatsapp oder Facebook-Nachricht. Direkter, persönlicher, verbindlicher. Erfahrene Verkäufer kennen das, sie versuchen möglichst einen Draht aufzubauen und scheuen diesen kleinen Satz: „Schicken Sie mir doch eine Mail!“Der klingt nämlich verdammt nach Ablage P, man will den Anrufer loswerden.

Natürlich kann ich es verstehen, wenn Journalisten nicht mehr abheben. Schließlich gibt es ziemlich viele Leute, die ihnen eine Story verkaufen wollen. Etwas anderes ist es, wenn ich als Freie einer Redaktion etwas zuliefere und dazu Rückfragen habe. Da darf ich schon erwarten, dass entweder meine Mail beantwortet wird oder mein Anruf genehm ist. Und wenn ich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils einmal anrufe, möchte ich bitte nicht als Telefonterroristin beschimpft werden. Genau das ist mir gerade passiert. Die Kollegin hatte nicht auf meine Mail geantwortet, auf meine zweite Mail eine Woche später kriege ich eine automatische Rückantwort, dass sie bis September im Urlaub sei. Wir haben Ende November. Ich rufe an. Zugegeben, ich lasse lange klingeln. Ich denke, irgendwann muss doch mal jemand rangehen oder wenigstens die Mailbox. Es geht auch eine barsche Kollegin ran, die genervt ist, nein, niemand sonst vor Ort und keine Ahnung, wann wieder… Ich probiere es am nächsten Tag noch einmal. Wieder nichts. Einen Tag später eine Mail:  Ich möge bitte etwas mehr relaxen, es dauere immer mal einige Tage, bis sie sich melde. Doch dass sie sich melde, sei sicher. Aber keine Antwort auf meine Frage. Stattdessen die Bitte, ich möge noch ein paar Infos schicken. Am besten bis zum nächsten Tag, allerspätestens bis zum übernächsten.

Merke erstens: Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Zweitens: Mails, Posts, Tweets. Es wird uns alles zu viel und daher lesen wir auch nicht mehr genau. Dabei könnte es so einfach sein. Ich habe trotz des Stigmas noch einmal angerufen. Und hatte Glück. Wir haben alles in fünf Minuten geklärt. Sogar den Titel „Telefonterroristin“ aus den Weg geräumt.

Wer mir nicht glaubt, kann ja noch mal in dem Buch von Anitra Eggler stöbern: E-Mail macht dumm, krank und arm. Oder in einer dänischen Studie: „Facebook-Verzicht macht zufriedener und glücklicher“!  Okay, ich will Ihnen auch die englische Studie nicht vorenthalten, die ergeben hat, dass intensive Handynutzung dumm macht. Aber glauben Sie mir, es ging da um alles andere als Telefonieren!

Facebook-Shirt / zum Buch von Anitra Eggler "E-Mail macht dumm, krank und arm"

Facebook-Shirt / zum Buch von Anitra Eggler “E-Mail macht dumm, krank und arm”

 

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