Druck von gestern

Druck von gestern

„Bitte keine Werbung“ steht deutlich lesbar auf unserem Briefkasten, aber wer querdenkt, liest womöglich nicht genau. Und so hole ich mit spitzen Fingern ein Exemplar „Demokratischer Widerstand“ (Ausgabe 40) hervor: Layout, Druckqualität und Aufmachung erinnern an die Ausgaben des „Spartakisten“ in meiner Studentenzeit. Mit anderen Worten ein Schwarz-Weiß-Druck von gestern und schon auf den Mensatischen von damals unerwünscht – zu viel Druckerschwärze, zu wenig Abstände zwischen den Beiträgen, kein Horizont in Sicht.

Inhaltlich verbreitet die Wochenzeitung mindestens so schlechte Laune wie die Marxistischen Studentenzeitungen damals: Da weiß einer erstens alles besser. Wettert zweitens laut und langatmig gegen die BRD, jetzt das „Notstandsregime“ oder auch den „Versuch einer terroristischen Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“ (So das Geleitwort der Redaktion, S. 2; Völker, hört ihr die Signale?). Ist aber drittens nicht wirklich um Lösungen bemüht. Wozu auch? Schließlich handele es sich um eine dieser „Grippeinfektwellen, wie sie zu jedem Jahreswechsel auf der Nordhalbkugel stattfinden.“

Warum aber diese Welle zu Beginn des Frühlings noch mal zulegt? Sich womöglich nur noch nicht zu einem Tsunami entwickelt hat, weil die Mehrheit sich brav an medizinische Maskenpflicht hält und sich eben keinen „Lappen vors Gesicht“ (S.8) hängt? Ob dazu auch die Impfbereitschaft beiträgt, die als „Experimente der Transhumanisten“ kommentiert wird (S. 4)?

Sich diesen oder anderen Fragen zu stellen, gehört nicht zu den Stärken der Redaktion. Sonst würde sie selbst merken, dass

  • man nicht von „Mainstream-Pressemeute“ (S. 9) reden und sich gleichzeitig wundern kann, dass diese die Bundesregierung unterschiedlich, aber heftig kritisiert;
  • es Werbung ist, wenn ein Gastkommentator sein eigenes Buch platziert (S. 2);
  • ein Interview von kritischen Fragen und Nachfragen lebt, gerade wenn der Gesprächspartner sich „Gründer von Querdenken-711“ nennt (S. 11).

Ein Beispiel: Statt Michael Ballweg zu fragen: „Was treibt Sie in die Hauptstadt?“ Besser: „Was entgegnen Sie Jan Böhmermann, der Sie im ZDF Magazin Royale zum Corona-Unternehmer des Jahres gekürt hat?“ Spätestens bei Ballwegs Aussage, „grundsätzlich würde ich nichts anders machen“, hätte nachgefragt werden müssen: Auch nicht die Redaktion mit einer großzügigen Spende unter die Arme greifen? Für ein lesefreudigeres, ansprechendes Design?

Und damit genug der Anregungen für den Druck von gestern. Das nächste Mal „ohnemich.de“. Da wandert das Exemplar widerstandslos ins Altpapier. Aber vielleicht schafft es ja auch der Austräger, dann zu lesen…

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