Direktmüll in DSGVO-Zeiten

Direktmüll in DSGVO-Zeiten

Quelle Deike Uhtenwoldt

Schon ein Zwölftel des Jahres um und keine Einigungen in Sicht, nicht beim Brexit, nicht beim Anti-Schleuser-Einsatz und auch nicht beim Digitalpakt. Dabei sind das so wichtige Zukunftsthemen. Viel wichtiger – ich gebe es zu – als das, worüber ich mich am Start ins restliche Elf-Zwölftel 2019 gerade aufrege. Das liegt an einem Plastikumschlag gefüllt mit bunten Werbekatalogen, den ich vor kurzem aus meinem analogen Postkasten gefischt habe. Trotz des Aufklebers der Verbraucherzentrale: „Keine Werbung“. Aber den Postboten trifft keine Schuld, die Werbung war an mich persönlich adressiert, damit musste sie zugestellt werden.

In Klarsichtfolie eingeschweißt: ein Frühjahrskatalog des Textilhandels-Unternehmens Witt-Weiden, einer Tochter der Otto-Group, dazu noch allerlei Reklamezeugs. Etwa ein Vorteils-Bestellschein mit eigener VTNR (Vorteilsnummer?) und meinen Adressdaten. Ich bräuchte nur noch Geburtsdatum, Telefonnummer und E-Mail-Adresse angeben, für einen Mindestbestellwert von 25 Euro einkaufen und ein dreiteiliges Pünktchen-Einkaufsset wäre meines.

Post, die nicht passt

Ja, geht‘s noch? Liebe Direktwerber, merkt euch:

  1. Ich kaufe sehr gern noch analog ein, auch wegen dieser vielen Newsletter und „interessanten Angebote“, die ich mir sonst allzu schnell und ungewollt auf meine digitalen Geräte hole. Allerdings benutze ich für meine Shopping-Tour keine spießigen Einkaufskörbe, sondern das Fahrrad und entsprechende Packtaschen.
  2. Kleidung kaufe ich schon gar nicht im Netz ein, weil ich der Meinung bin, dass man anprobieren muss, was man hinterher sowieso viel zu selten trägt und ich dieses Hin- und Herschicken von Paketen für eine Pest halte.

Apropos: Auch der Textilversender wirbt mit einem „Öko-Komplett-Lieferservice: Um Umwelt und Ressourcen zu schonen, versuchen wir Ihre Wunschartikel in nur einer Sendung zusammenzufassen.“ Wow, wenn das nicht komplett öko ist, denke ich und werfe die Plastikhülle in den gelben Sack, das Papier in die blaue Tonne. Musste dafür ein Baum sterben?

Frühjahrsputz beim Datenschutz

Der eigentliche Grund für meine Aufregung liegt aber woanders: Bei meiner eigenen Seite und eben diesem Blog habe mich sehr bemüht, die DSGVO vollständig umzusetzen, habe mich von einem Freund stundenlang beraten lassen, die Kommentarfunktion eingeschränkt, IP-Adressen aus dem Protokoll entfernt, Webfonts von der Seite genommen. Natürlich steht auch noch ordnungsgemäß meine Adresse im Impressum, aber wieso darf ein Versandhändler sie nutzen und wie genau ist er darangekommen?

Ich schreibe zum einen an den Kundenservice, der innerhalb eines Werktages antwortet und verspricht, die Löschung meiner Daten zu veranlassen. Ich lese zum anderen das Kleingedruckte:

„Ihre Adressdaten stammen von der AZ Direct GmbH (hier folgt die genaue Adresse in Gütersloh). Sie verarbeitet auf Grundlage der Interessensabwägung gemäß Artikel 6 (1) (f) DSGVO Ihre Adressdaten…“

Ich schreibe der Datenschutzbeauftragten der AZ Direct GmbH, widerspreche der Nutzung meiner Daten, bitte um Auskunft – und jetzt wird es kurios. Bei der Rückantwort werde ich, obwohl ich den Frauenmodekatalog erwähnt hatte, als Herr Uhtenwoldt angesprochen und aufgefordert meine postalische Adresse mitzuteilen: „Nach Erwägungsgrund 64 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sind wir verpflichtet, Ihre Identität eindeutig festzustellen.“ Postalisch werde ich dann auf bis zu drei Monate vertröstet, weil AZ Direct „eine beachtliche Anzahl an Datenschutzbegehren nach der Datenschutzverordnung“ erhalten habe.

DSGVO macht Briefwerber froh

Was schließen wir daraus? Die Irrfahrten der DSGVO scheinen abenteuerlich! So postuliert ein Marketing-Experte die Rückkehr postalischer und vor allem personalisierter Werbung, weil die DSGVO das Direktmarketing über E-Mails komplizierter gemacht habe. Da aber zugleich die Daten der Nutzer auf Plattformen oder Blogs online verfügbar seien, erhalten sie nach einer abgebrochenen Bestellung ein passendes Angebot auf dem Postweg – ganz ohne Double-Opt-In.

Zurück in die Zukunft?

Aber vermutlich sollte ich mich nicht aufregen. Zumindest eines kann ich der Witt-Weiden-Werbung zugutehalten: Sie ist als Instrument der Verkaufsförderung eindeutig zu erkennen und entsprechend zu bewerten. Von manchen Userbewertungen, Influencer Tipps oder Filterblasen, die uns den Blick für die Wirklichkeit verschließen, lässt sich das nicht so einfach sagen.

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