Bilanz der ARD Themenwoche zur „Zukunft der Arbeit“: Mit 8,53 Millionen Zuschauern ein Bremer Tatort an der Spitze, der das digitale Ich einer ermordeten Start-up-Unternehmerin nicht nur weiterleben, sondern auch zum Mörder werden lässt; entsprechend viele Kommentare und Kontakte dazu in den sozialen Netzwerken (8,24 Millionen) sowie ein Job-Futuromat, der die von der ARD umworbene jüngere Zielgruppe anlockte. 150.000 Besucher recherchierten innerhalb einer Woche nach der Zukunftssicherheit ihres Jobs, dabei erzielten die Berufe Lehrer, Softwareentwickler und Journalist die meisten Anfragen.
Nun, ich bin kein Futuromat, ich finde das auch so schon gruselig genug. Gruselig-greifbar, denn die Fakten liegen längst auf dem Tisch: Der IBM Supercomputer Watson hat bereits ein komplettes Marketing-Magazin ohne menschliche Beteiligung gestaltet und die NWZ-Mediengruppe will computergenerierte Texte für mehr Individualisierung und Lokalisierung ins Blatt übernehmen – etwa für Spielberichte aus der unteren Bundesliga. Dabei wird der Algorithmus, der hinter solchen lernenden Software-Systemen wie AX Semantics steckt, trainiert: Er nimmt blitzschnell Informationen auf und braucht für die Verarbeitung nicht mal Sekunden. Damit ist er uns weit überlegen. Wir müssen immer noch lesen, verknüpfen, (nach-)denken, das kostet Zeit und die haben wir nicht. Die verbringen wir lieber mit schnellen Posts, Videos, Bewertungen und Weiterleitungen.
Ein Beispiel: Meine Kollegin leitet mir einen Newsletter weiter. Sie bittet mich in der Mail, Kontakt zu der Redaktion aufzunehmen und die Möglichkeiten einer redaktionellen Zusammenarbeit zu klären, für Print wohlgemerkt. „Reinkommen ins Heft“, nennt das meine Kollegin kurz und zackig. Im Prinzip kein ungewöhnlicher Vorgang. Nur: Der Newsletter kommt von „Sehnsucht Deutschland“ und erklärt, warum das Reisemagazin, das angeblich lange Zeit der Printkrise trotzte, nun nicht mehr am Kiosk erworben werden kann – es erscheint auf unbestimmte Zeit erst mal nur noch online.
Ich glaube, dass dies typisch ist für unsere Zeit. Wir lesen nur die Überschrift, schauen aufs Foto und sehen schwarz, weiß – oder rot, je nachdem. Das ist nicht schlimm, wenn es sich wie in dem Fall meiner Kollegin um eine Mail handelt, die nicht veröffentlicht wird. Das ist ärgerlich, wenn es sich um öffentliche Personen, etwa einen Politiker handelt, der den Unsinn selbst verzapft hat, weil er kurz vor Mitternacht auf Twitter noch besonders originell sein wollte.
Meine Tipps gegen FB-Fettnäppchen und TW-Taifune:
- Atme vor jedem Post kurz durch und überlege: Würde ich das im analogen Gespräch auch sagen?
- Befrage dich selbst: Bist du privat auf sozialen Netzwerken unterwegs, weil es für dich so etwas wie Avantgarde, Trend oder zumindest cool ist oder bringt es dich auch persönlich weiter?
- Berechne, wie viel Zeit dir durch die permanente Ablenkung etwa für Sport oder einen Herbstspaziergang entgeht!