Inflationär in Gebrauch: no-response-button

Inflationär in Gebrauch: no-response-button

Ich kenne das auch, manchmal mag man nicht erreichbar sein. Möchte selbst bestimmen, wann und mit wem man spricht und nervigen Umfragen, Nachfragen oder Anbahngesprächen von Verkäufern unbedingt aus den Weg gehen. Dann hebe ich gelegentlich auch nicht ab und lasse auf jeden Fall das Werbeding mit 0800-Nummer links liegen: Call-to-Aktion „Jetzt unbedingt anrufen“, im Marketingsprech kurz CTA genannt, heißt für mich CTI, „Call to Inactivity“.

Allerdings finde ich, dass der Journalismus ein Service ist, der dialogbereit sein muss. Das heißt nicht, dass man jede PR-Anfrage beantwortet, denn dann käme man nicht mehr zum Arbeiten. Aber wer nicht nur pöbeln, über den Kamm scheren, sondern ernsthaft über den Sinn, die Aufgabe und Zukunft des Journalismus diskutieren will, ist willkommen. (Sind Sie dabei, Albrecht Gollub?). Und ich finde, dass jeder Dienstleister erreichbar sein muss, nicht rund um die Uhr, aber an Arbeitstagen doch gern innerhalb von 48, besser noch 24 Stunden.

No-Response in drei Beispielen aus den letzten 13 Tagen

  • Eine Vermietungsgesellschaft verschickt hohe Nebenkostenabrechnungen. Mit den aktuellen Preisentwicklungen hat das noch nichts zu tun, es geht um das Jahr 2020. Konkrete Belege fehlen und die Rückfragen der Mieter laufen ins Leere: In der Zentrale nimmt niemand ab, Mails bleiben unbeantwortet, auf dem Postweg machen Schnecken das Rennen. Erst als sich ein Anwalt einschaltet, wird Nachbesserung gelobt und eine App promotet, über die man die Belege abrufen könne. Nur: Diese funktioniert nicht. Der Anwalt bereitet nun eine Sammelklage vor. Ein teures, langjähriges Gerichtsverfahren kann aber Gesprächsbereitschaft nicht ersetzen.
  • Eine Anfrage an den Nabu zu örtlichen Führungen wird nach sechs Tagen kurz und bündig beantwortet: Hier nur kurz, andere Fragen sind mir jetzt zu zeitaufwendig: Ab Mitte Mai bieten wir wieder Führungen dort an…, schreibt mit ein Mitarbeiter. Ich finde es in Ordnung, wenn meist ehrenamtliche Helfer, keine Zeit für lange schriftliche Korrespondenz finden, aber eine Alternative, Kontaktadresse oder eben Telefonnummer hätten Wertschätzung signalisiert. Dagegen sagt mir eine Antwortmail, aus der meine Fragen gelöscht wurden: Kann weg und braucht nicht weiter beantwortet zu werden.
  • Bei der mündlichen Presseanfrage bittet der Kammersprecher, wenig verwunderlich, um eine Mail, die er dann intern weiterleitet. Der Rest ist dann aber Prinzip Hoffnung. Wird diese enttäuscht, meldet sich die Journalistin (ja, ich war so frei) mit Chance noch ein zweites Mal, sofern die Sache wichtig genug ist. Ein gutes Licht wirft das aber nicht.

Democracy dies in darkness…

… lautet der Leitspruch der Washington Post und er meint viel mehr als eine unbeantwortete Presseanfrage. Es geht darum, eine zentrale Kontrollinstanz nicht en bloc zu verdammen („die Medien“) und Social Media („news brands“) nicht kritiklos zu folgen.

Dazu kommen die „News Avoider“: So nennt der Digital News Report 22 aus dem Oxforter Reuters Institute die wachsende Zahl junger Menschen, die etablierten Nachrichten aus dem Weg geht, weil diese aufs Gemüt schlügen und nicht klar sei, was sie mit dem eigenen Leben zu tun hätten. Social Media wird aber dagegen genutzt, weil die News Avoider glauben, dass wichtige Nachrichten irgendwie den Weg über Freunde, Familie, Influencer zu ihnen fänden. Schon 40 Prozent der Unter-35-jährigen zählen zu dieser Gruppe.

Vom No-Response und No-News zum Mehrwert

No-Response und No-News haben auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun und doch gemeinsame Wurzeln: Die Scheu, sich mit dem auseinanderzusetzen, was meine Sichtweise in Frage stellt. Vor allem aber auch das Gefühl der Überforderung: Die Menge der Informationen, die täglich neu zur Verfügung steht, kann nicht mehr bewältigt werden und wenn ständig Netzwerknachrichten, Tiktok und Mails auf ein- und demselben Gerät auf mich niederprasseln, will ich nicht noch gleichzeitig damit telefonieren. Doch es gibt aus meiner Sicht eine Lösung für beide Phänomene und auch sie hat gemeinsame Wurzeln: Mehrwert bieten. Im Journalismus durch konstruktive Ansätze wie etwa die Sneakerjagd. Im Servicekontakt durch Hotlines und persönliche Berater, die diesen Namen auch verdienen.

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