Bau dir dein Akronym

Bau dir dein Akronym

Nehmen wir mal an, Sie befinden sich im Tunnel, das Licht ist ausgefallen und der Ausgang ist nicht in Sicht. Zur nervlichen Beruhigung lassen Sie sich vom digitalen Assistenten aktuelle News vorlesen. Aber es gibt einen Codierungsfehler, der Assistent erkennt nur Großbuchstaben in Folge und faselt von

  • a) EZB, OMT, MIT, DAX
  • b) BAH, BPI, VFA, UBA, BUND
  • c) IDP, IS, USA, PKK

Um welches Ressort und welches Thema handelt es sich?

a) ist nicht sonderlich schwer, es geht um die Wirtschaft, Inflation und Aufbauprogramme. b) ist dagegen etwas für Insider und stammt aus der FAZ (noch ein Akronym, das ich hoffentlich nicht erklären muss), genauer dem Wissenschaftsressort. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) oder der Verband Forschender Arzneimittelhersteller zu ihrer Verantwortung stehen, wenn die Patienten die eingenommenen Chemikalien wieder zu Wasser lassen und damit die Umwelt belasten. („Bah“, indeed!) Bei c) hat dagegen leichtes Spiel, wer mit Internally Displaced People (IDP) etwas anfangen kann: In einer Kolumne im Feuilleton, hätte aber auch im Politikressort stehen können, beklagt die Autorin, dass der Genozid an den Jesiden nie wirklich vorbei sein wird.

Was ich damit kurz und bündig sagen will…

Keine Nachricht, keine Partei und kaum noch eine Neugründung, die ohne Versalien auskommt. Das ist keinesfalls ein neues Phänomen, aber es fällt doch zunehmend ins Gewicht und bisweilen auch auf die Nerven. Weil sich Großbuchstaben wie Barrieren aus dem Umfeld herausheben und den Lesefluss hemmen. Es sei denn, man hat sie schon so lange auf dem Radar, dass man sie gar nicht mehr als Abkürzung für radio detection and ranging wahrnimmt.

Mit zunehmender Digitalisierung und Internationalisierung hat die Tendenz zur Verkürzung noch mal an Fahrt gewonnen. Wobei auch hier kaum noch einer weiß, dass COBOL für Common Business Oriented Language steht und niemand mehr EDV als Elektronische Datenverarbeitung aufgeschlüsselt haben möchte. Allerdings kann man damit im internationalen Umfeld auch wieder ganz schön auf die Nase fallen, weil es im Englischen EDP Electronic Data Processing heißt. Im Falle der DNA hat sich die englische Sprache durchgesetzt, obwohl es im Deutschen eigentlich DNS Desoxyribonukleinsäure heißen müsste. Anders bei MINT, englisch STEM. Weil sich NTIM einfach nicht so gut aussprechen würde und sowieso Engineering nicht gleich Informatik ist. Die Erweiterung um Kunst oder englisch „Art“ zu MINKT oder eben STEAM lässt noch auf sich warten. Damit sind wir bei den Grundzutaten für ein gutes Akronym.

Und so geht es:

  • Wähle nicht zu viele Buchstaben und achte darauf, dass mindestens ein Vokal dabei ist: OKFMMDGZHKWJMBGW hat sich nicht durchgesetzt. („Ok, freut mich, mit dir gechattet zu haben. Könnten wir ja mal bei Gelegenheit wiederholen.“)
  • Vermeide gängige Abkürzungen, es sei denn es gibt einen Bezug zu deinem Thema. Das UFO hat sich als Unidentified Flying Object einen Namen gemacht – und das „Ukrainian Freedom Orchestra“ und die „Unabhängige Flugbegleiter Organisation“ hängen sich dran.
  • Dasselbe gilt für existierende Wörter: NOW ist die größte US-amerikanische Frauenorganisation, aber auch hierzulande die „Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“. Das kann schon verwirrend sein und wird bisweilen als Backronym in Lächerliche gezogen. Vergleiche „Team = Toll, ein anderer macht’s!“
  • Erst das Kürzel, dann der Inhalt: Das hat sich bei SOS bewährt, wirkt aber gewollt bei einem Veranstaltungort im Wald, der sich NEST nennen will. Aber wer kommt dabei schon auf die „Nachhaltige Entwicklung sozialer Teams“ und nicht auf „Nuclear Emercency Search Team“?
  • Anders gesagt, übertreibe es nicht, sonst bekommst du den Stempel Aküfi – Abkürzungsfimmel!

KO? OK! Das war mal eine Spielshow in den 70iger Jahren und ist heute ein Architekturbüro. Mit anderen Worten: Es gibt keine Abkürzung, die es nicht schon gibt oder gab. Und dazu hier der letzte Test:

  • d) RAD, REME, KOYLI, GRäFaZ?

Das stammt aus den Erinnerungen des ehemaligen Rekruten und noch lebenden Zeitzeugen Rudi Widderich aus den Jahren 1943 bis 1946. Mit 17 wurde er zum Reichsarbeitsdienst eingezogen, mit 18 schwärmte er für die Autoschlosser der Army (Royal Electrical and Mechanical Engineers), die King’s Own Yorkhire Light Infantry und feierte das Ende des größten Feldherrn aller Zeiten, der auf dem Sofa fiel.

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