Künstliche Kommunikation im Koma

Künstliche Kommunikation im Koma

Ein wenig fühlte ich mich wie im Film. Dieser war allerdings nicht wirklich unterhaltend, dafür so monoton wie nervenaufreibend. Der Titel: Und täglich grüßt die Reisebegleitung. Die Handlung: Mutter und Tochter, ein eingeschworenes „Paris-Express-Duo“, wagen jedes Frühjahr aufs Neue den Kampf mit der Deutschen Bahn und ihrem französischen Pendant SNCF. Die letzte Folge handelte von der sprichwörtlichen französischen Streiklust, einer unfreiwilligen Landung in Straßburg und einer gelungenen Eroberung der Stadt in kultureller und kulinarischer Art.

Die aktuelle Ausgabe stand lange unter den unguten Vorzeichen eines gnadenlosen Gewerkschaftschefs und seines spitzen Schwertes namens „Wellenstreik“. Kaum war die „Macht des längeren Hebels“ der Vernunft gewichen, stellten sich andere Steine in den Weg. Mit freundlichem Absender „DB Reisebegleitung“, aber furchterregenden Betreff: „Fahrplanänderung auf Ihrer Reise nach Paris Est am 20. März 2024: Fahrt nicht wie geplant möglich.“ So hieß es spätabends am 29. Februar, dann erneut am 5., 14., 18.,19. und sogar noch am 20. März. Der Text war immer identisch, die Botschaft nicht klar: Okay, der Zug fuhr ein wenig früher als gebucht. Okay, er fuhr nicht vom Hamburger Hauptbahnhof, sondern von Harburg und die Weiterfahrt in Karlsruhe startete von einem anderen Gleis. Was sonst? Keine Angaben, was „Fahrt nicht wie geplant möglich“ für die Reise jenseits der aufgehobenen Zugbindung genau bedeutete. Null Hinweise auf Alternativen. 

Da werden Kommunikationschancen einfach verspielt, dachte ich mir und fragte mal bei der Bahn nach. Die Antwort fiel kurz und bündig aus:

  • Man arbeite bei der digitalen Reisebegleitung kontinuierlich an Verbesserungen.
  • In Zukunft werde es weniger Redundanzen geben.
  • Jedes Mal, wenn sich etwas im System ändere, sei es das Gleis oder die Zeit, werde die Mail angestoßen.
  • Was sich aber genau geändert hat, müssten die Empfänger selbst prüfen, das könne noch nicht personalisiert werden.
  • Und dann noch ein Tipp an alle Fahrgäste: Bitte noch mal vor Reiseantritt checken, ob Zug, Zeit und Gleis unverändert geblieben sind. Es handele sich nun einmal um ein störanfälliges System…

Das Gespräch lässt mich ein wenig ratlos zurück. Wenn es jedes Mal neue Änderungen sind und ich sie nur einfach nicht finde und im Nachhinein auch nicht mehr finden kann, weil nur noch der aktuelle Ist-Zustand meiner Zugverbindung abrufbar ist, wäre es dann nicht klüger, noch schnell umzubuchen statt sich am Folgetag ins Abenteuer zu stürzen? Das allerdings hätte unangenehme Folgen für den zweiten Teil meiner Reise mit der SNCF. Denn in einem französischen Schnellzug ist jedes Ticket an einen Sitzplatz geknüpft und wenn man einen anderen Zug wählt, braucht man eine neue kostenpflichtige Fahrkarte plus Sitzgelegenheit.

Immerhin gibt es ein Angebot aus der DB-Presseabteilung.

Ein folgenloses Angebot

Ich melde mich noch mal, wenn ich von Ihnen die Daten kriege, aber ich bin mir nicht so ganz sicher, ob wir im Nachhinein sagen können, was sich da genau geändert hat.

So das Versprechen der DB-Sprecherin

Gemeldet hat sie sich zehn Tage später allerdings noch nicht. Dafür habe ich für die Rückfahrt wieder fünf Mails bekommen. Erneut mit dem Betreff, dass meine Reise nicht wie geplant stattfinden kann. Dieses Mal dauert die Fahrt plötzlich gut 1,5 Stunden länger und umbuchen geht wieder nicht, weil am Karfreitag alle Züge von Paris Richtung Deutschland ausgebucht sind. Dafür meine ich, ein Schema erkannt zu haben: Die erste Mail kommt bei der Fahrplanänderung und wiederholt sich dann fünf, zwei, einen und am Tag der Reise selbst.

Inzwischen habe ich die Zugreisen hinter mir, jeweils mit Verspätungen von über zwei Stunden. Hin wurde zunächst das Gleis in Harburg geändert, was ein hektisches Koffer- und Kinderschleppen von gut zweihundert Fahrgästen mit sich brachte. Dann musste die Streckenführung dran glauben, aus Mannheim wurde Heidelberg und der Schnellzug in Karlsruhe war nicht mehr zu schaffen. Zurück konnte der TGV in Straßburg wegen einer technischen Panne nicht geteilt werden – der hintere Zug sollte nach Colmar und nicht nach Karlsruhe weiterziehen. Was viele Nerven – des technischen Personals, aber auch der Reisenden – und eine 45-minütigen Verspätung mit einigen verpassten Anschlüssen kostete.

Ja, es ist ein fragiles, komplexes System. Aber gerade das braucht eine intelligente Kommunikation. Gleisänderungen, die rechtzeitig an die Leitstelle und dann vorausschauend an die Gäste weitergegeben werden. Neue Zugverbindungen, die auch mit den ausländischen Partnern geteilt werden. Weniger Mails, mehr Intelligenz. Alles andere ist auch für die Bahn auf Dauer unbezahlbar.

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