Mathy-Math, wir müssen reden!

Mathy-Math, wir müssen reden!

Wer, bitte schön, ist Mathy-Math? Ein alternativer Begriff für die Chatbots, die meistens zur KI verklärt werden. Ins Netz geworfen hat ihn eine US-amerikanische Soziologin, die dafür plädiert, die Sprachprogramme zu entzaubern. Es handele sich schließlich lediglich um mathematische Modelle, die nicht selbst abstahieren und auch nicht denken können, sondern oft unter schlechten Arbeitsbedingungen von Menschen entwickelt wurden.

Das traf ins Mark. Denn natürlich bin ich auch auf den KI-Hype aufgesprungen, ohne wirklich Ahnung zu haben. Habe sogar bei ChatGPT mitgeredet, ohne die Textmaschine selbst probiert zu haben.

Das hat sich geändert und allein der bodenständige Begriff Mathy-Math hat geholfen, Ängste abzubauen. Das Ergebnis war zunächst besser als gedacht: ChatGPT hat mir für eine Recherche im Handumdrehen drei Bewerbungsanschreiben verfasst. Mal formal (allerdings voll langweilig), mal witzig (Befehl, neudeutsch Prompt: „Sei ein komischer Science-Slammer“), schließlich journalistisch (Prompt: „Verwende den Storytelling-Stil“). Das passte nicht schlecht zu der Stellenausschreibung im Fachbereich Journalismus einer Hochschule. Wenn auch ganz und gar nicht zu mir: Vorgeführt hatte mir das ein Interviewpartner, der meinen Lebenslauf nicht im Netz gefunden hatte, und daher beispielhaft den einer Kollegin nutzte. Puh, Glück gehabt!

Kurz, ich war halb schockiert, halb euphorisiert und habe dann selbst probiert.

Jetzt bin ich wieder ein wenig ernüchtert und habe mir Dreierlei vorgenommen:

  • Erstens nicht mehr vorschnell von KI zu reden. Intelligenz ist was anderes.
  • Zweitens ChatGPT nicht zu vermenschlichen und schon gar nicht zu vermännlichen. Motto: „Er macht es einfach nicht!“
  • Drittens locker zu bleiben.

Dabei muss ich vermutlich noch lernen, die Befehle anders zu formulieren. Bezeichnenderweise duze ich im Eingabefeld, während der Bot mich siezt. Aber eine Maschine zu siezen, wäre noch mehr Vermenschlichung. Und das gilt vermutlich insgesamt für mein Vorhaben: Ich habe das Sprachmodell als Sparringpartner für die Entwicklung eines neuen Geschäftszweiges als Lebensweg- und -werkautorin eingespannt. Wobei ich den üblichen Begriff Biografin genutzt habe. Vielleicht liegt es daran, dass nur nullachtfünfzehn dabei herausgekommen ist.

Mein erster Befehl schlug komplett fehl

Sei ein investigativer Journalist und nenne mir zehn Persönlichkeiten aus Deutschland, über die es noch keine Biografie gibt

Im Chat mit GPT-3,5

Zwar dauerte es nur wenige Sekunden, bis ich zehn Namen genannt bekam, aber die machten mich alle ratlos: Ich kannte keinen einzigen davon. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass es sich um rein fiktive Persönlichkeiten handelte. Der Biografie-Begriff hatte offenbar auf eine falsche Fährte gelockt. Ich hakte noch einmal nach und bekam eine neue Liste, angeführt von Friede Springer. Über die Verlegerin gibt es seit 2012 bereits eine Biografie, geschrieben von der Wirtschaftsjournalistin Inge Kloepfer. Aber okay, an zweiter Stelle stand der Astrophysiker Reinhard Genzel, bei dem ich es auf einen Versuch ankommen ließ.

Erstelle ein professionelles Anschreiben an Professor Genzel, stelle dich als langjährige Journalistin vor, die auch schon Biografien verfasst hat. Halte das Anschreiben kurz und knackig und stelle sicher, dass es gut formiert, leicht zu lesen und optisch ansprechend ist

Im Chat mit GPT-3,5

Das Ergebnis finde ich bisher wenig überzeugend, langatmig, altbacken, floskel-reich. Auch die Version mit lockerer Sprache hat mich nicht angesprochen und nach der Lektüre des Webseiten-Werbetextes weiß ich, was ich zukünftig unbedingt vermeiden muss: aneinandergereihte Adjektive. Einzig der Slogan „Lassen Sie uns gemeinsam Geschichte schreiben“ ist mir positiv in Erinnerung geblieben. Aber dass er beim Bot landet, heißt eben auch: Der ist ganz gewiss nicht neu!

Fazit: Man kann das Tool vielleicht ganz gut nutzen, um zu lesen, wie man es nicht machen möchte. Oder noch mehr und konkretere Befehlsoptionen ausprobieren.

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