Echt wahr: Vier Millennials, drei II.-Weltkriegskinder und zwei Babyboomer sitzen zusammen am Mittagstisch. Die gute Nachricht: Nur ein leuchtendes Display stört das Ambiente aus weißen Tellern, Blumengrün und makelloser Tischdecke. Die Preisfrage*: Wem gehört es?
Vor kurzem habe ich an einem Millennial Lab teilgenommen, einem Workshop der gemeinnützige Organisation VOCER. Es ging um die Frage, wie klassische Medien junge Leute überhaupt noch erreichen können. Fünf Studierende ließen sich dafür geduldig zu ihrer Situation, Mediennutzung und ihren Informationsbedürfnissen befragen.
Ein paar Ergebnisse: Das sagen die Millennials
- Es muss schnell gehen: Wir studieren online und sitzen den ganzen Tag vorm Laptop. Information ist da Ablenkung und Zeitvertreib bei einer langweiligen Vorlesung beispielsweise. Es darf nicht zu anstrengend sein!
- Es sollte aber anregend sein: Wir wollen up to date sein und eine Übersicht bekommen, was gerade spannend ist!
- Es sollte flexibel sein: Schön, wenn unser Interesse genau bedient wird und Todesanzeigen oder Sportteil durch Themen ersetzt werden, die zu unserem Lebensumfeld passen. Das allerdings ist wandelbar!
- Es dürfen nicht zu viele (Rechtschreib)fehler enthalten sein: Wir wissen selbst, was seriös ist und was nicht!
- Es darf nicht viel kosten: Wir sind extrem unloyal, wenn die Bezahlschranke zu schnell fällt.
Die Angebote von uns Medienmenschen: Vier Formate als „Problemlöser“
- Ein Gratis Newsletter, der nach eigenen Schwerpunkten zusammengestellt wird: Freiheit bieten, Bindung schaffen!
- Eine Medien-Checker App: Medienkompetenz spielerisch und nachhaltig aufbauen!
- Eine Break the Fake-Seite zu Corona: Bündeln, was es wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt und sensibilisieren
- Eine Plattform mit Audio-Workshops: Infotainment, wann immer es dir passt
Schön und gut, wir sollen vom Publikum her denken. Aber wer zählt dazu?
Mein Fazit: Die Angebote der Medienmacher und der Bedarf der jungen Leute passen nicht immer genau zusammen. Drei Erklärungsversuche, Schwachstellen:
- Wer nach Problemaspekten sucht, findet bisweilen Lösungen, die mehr mit dem eignenen Kopf als mit dem Bedarf zu tun haben.
- Es waren nur fünf von über zwanzig Millionen bundesdeutschen Millennials. Darunter der Instagram-Fan, der die Posts der Freunde für die beste Infoquelle hält und die Aussteigerin, die weniger Lebenszeit verlieren will.
- Mit anderen Worten, die Zielgruppe ist diverser als man denkt. Und fehlende Medienkompetenz keine Frage des Alters.
Womit wir wieder bei unserem Mittagstisch und der Preisfrage* wären…
Richtig, in diesem Fall war es die 82-Jährige, die nicht von ihrem Smartphone lassen konnte. Mehr noch, sie versuchte ständig die Altersgenossin zu überreden, sich ebenfalls so einen Tagesbegleiter zuzulegen. Weil man sich damit doch überall identifizieren und informieren könnte. Mit der Luca-App im Restaurant beispielsweise. (Obwohl die Gastgeberin sich und die Gäste schon brav auf einen Zettel eingetragen hatte). Wissen, wie das Wetter in der nächsten Stunde wird. (Was bekanntlich aber am tatsächlichen Sonnenschein nichts ändert.) Oder dass eine vegetarische Ernährung zu Vitamin-B12-Mangel führe. (Was Unsinn ist, sagt meine Ärztin, die immerhin sieben Jahre Studium und 27 Jahre Praxis hinter sich hat.) Der Preis für so viel Service? „Ach, wer soll denn mit den Daten einer alten Frau etwas anfangen”, fragt die 82-Jährige, die gerade einer pharmazeutischen Online-Anzeige auf dem Leim gegangen ist…