Wie schon erwähnt, es passiert mir auch: Die schnell noch verschickte Mail, bei der ich beim Tippen wohl schon beim nächsten Termin oder im Feierabend war. Oder die „short message“, die nicht nur kurz, sondern auch kryptisch ist: Zeichendreher, Tippfehler, Wortwiederholungen, unvollständige Sätze – viel Flüchtigkeit, wenig Konzentration allerorten. Aber auch weniger Rechtschreibbewusstsein?
Seit Jahrzehnten wird der Verlust an Rechtschreibkenntnissen beklagt, Studien zeichnen kein gutes Bild, jeder fünfte Viertklässler verpasse die Mindeststandards – beim Lesen, Schreiben und der Texterfassung. Einerseits. Andererseits wird den Jugendlichen auch mehr Kreativität im Umgang mit der Sprache attestiert. In Kurznachrichten wird bisweilen ganz auf Klein- und Großschreibung verzichtet, mit orthographischen Verfremdungen, Versalien und Wortspielen um Aufmerksamkeit gebuhlt.
Als Winfried Kretschmann es vor gut einem Jahr wagte, die Wichtigkeit der Rechtschreibung infrage zu stellen, weil wir ja kluge Geräte hätten, die uns die Grammatik und die Fehler korrigierten, erntete er viel Kritik. Zu Recht. Zwar würde ich dem Grünen-Politiker unbedingt zustimmen, dass Rechtschreibung nicht ganz oben auf der Agenda der Bildungspolitik stehen muss. Da sind Mathe, Informatik und Texterfassung in der Tat bedeutsamer. Aber ich weigere mich, alles der Korrekturfunktion von Microsoft zu überlassen. Zum einen, weil diese selbst noch Fehler macht. (Wenn auch immer seltener, KI lernt halt ständig dazu!). Vor allem aber, weil Technik zwar vieles erleichtert, aber bisweilen auch zu viel abnimmt:
- Orientierung – die übernimmt das Navi.
- Telefonnummern – stehen im Handy.
- Weitsichtigkeit – wenn unser Blick nur noch auf das Tablet fixiert ist.
- Richtig schreiben – kann doch die Autokorrektur.
Schreib mal, wie du denkst
Schreiben lernen heißt denken lernen. Das geschieht vor allem durchs Schreiben selbst. Die ermutigende Auseinandersetzung mit Sprache und Schrift. Das Nachdenken über die Art, wie Sprache in Schrift übersetzt wird. Beispiele:
- Nt = Ente: Das Kind hat die Laute der Konsonantennamen gelernt.
- Lesn = Lesen: Das Kind schreibt so, wie es spricht.
- Khint = Kind: Es schreibt lautmalerisch und schießt durch das gedehnte Sprechen über das Ziel hinaus.
Wenn die Autokorrektur aber alle Fehler sofort ausmerzt, kommen Denkprozesse gar nicht erst in Gang.
Bei den Tageszeitungen werden zunehmend Rechtschreibfehler bemängelt, auf diesem Blog findet man sie auch. Darüber kann man sich aufregen. Ich halte mich lieber an Pareto: 80 Prozent der Ergebnisse bei 20 Prozent Gesamtaufwand. Oder anders gesagt: Es muss nicht perfekt, aber für den Leser noch akzeptabel sein. Eine Schreibweise, die keinen Standards mehr folgt und auf Satzzeichen verzichtet, ist es nicht. Sie erschwert den Lesefluss nachgewiesenermaßen.
PS. In diesem Sinne ist auch die hier gewählte Überschrift „richtig lernen, recht schreiben“ sicher ein Lese-Stolperstein, falsch ist sie dennoch nicht.