Was lange weilt, wird gut behalten

Was lange weilt, wird gut behalten

Was haben Ratgeberbüchern mit digitalen Netzwerken gemeinsam? Beiden fehlt das Element der Verbindlichkeit, der tiefen Aufmerksamkeit und Empathie. Machen Sie mal den Test und geben den Ratgeberband wieder, den sie zuletzt gelesen haben. Was fällt Ihnen ein? Am Anfang steht eine langatmige Einleitung, warum der Autor das Buch geschrieben hat (dabei wurde es nicht selten nur geschrieben, damit der Autor sich darüber einen Namen machen kann). Dann folgen Allgemeinplätze, Beispiele zur Untermauerung und noch mehr Allgemeinplätze. Dann vielleicht eine Handlungsanleitung oder die besten Tipps & Tricks, die Sie ganz schnell wieder vergessen. Warum? Weil diese häufig listenartig angelegt sind und den Leser eher überfallen als ihn zum Nachdenken anregen. Wie aber lernen wir? In der Konzentration auf eine Sache, verbunden mit Auszeiten, in denen sich das Wissen festigt, sagen Lernforscher und Lehrer – gerade aktuell in einer Umfrage zum Deutschen Lehrerpreis – Unterricht innovativ.

Vielleicht hierzu ein kleines Beispiel: Der türkischstämmige Schriftsteller Zafer Şenocak ist 1970 mit seinen Eltern nach Murnau, Bayern eingewandert. Deutsch hat er zunächst nachmittags bei einer pensionierten Volkschullehrerin im Halbdunkel gelernt. Warum, fragt er die Lehrerin Jahre später bei einem Besuch – da ist sein erstes Gedichtband schon auf dem Markt. Die Antwort der Frau:

Wenn man eine neue Sprache lernt, muss man die Wörter möglichst lange und genau beobachten… Die Dunkelheit hat dich langsamer und aufmerksamer gemacht… (Zafer Senocak:  Deutschsein, eine Aufklärungsschrift)

Das Halbdunkel hat vielleicht auch dazu beigetragen, dass Zafer schon sehr früh eine Brille tragen musste. Auf jedem Fall hat sie ihm auch ein Gefühl für die deutsche Sprache gegeben. Was wiederum beweist: um aus der fremden Sprache eine Gedicht zu machen, reicht Fleiß allein nicht. Es braucht Hingabe.

Was haben digitale Netzwerken damit zu tun? Warum schreibst du nicht auf Facebook, fragt mich ein Freund, den ich gerade angerufen habe – statt ihn per Facebook zu kontaktieren. Ja, warum nicht? Weil die Stimme viel mehr Emotionalität transportiert, viel mehr Wärme und Empathie als die Facebook-Drucksprache, die ja nicht selten Fake ist. Und weil alle Inhalte ohne Sinnlichkeit genauso verpuffen wie der letzte Ratgeber, mit dem Sie endlich erfolgreich werden wollten.

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