Früher war weniger Lamento

Früher war weniger Lamento

Reichte die Verbreitung guter Wünsche schon als Gradmesser für den Seelenzustand einer Gesellschaft, stünde es nicht so schlecht um das Land: Frohe Weihnachten tönt es an der Kasse, ist auf Brottüten nachzulesen und macht im Sportstudio die Runde. Nicht immer klingt der Wunsch wirklich froh und überzeugend – und das ist überhaupt kein Vorwurf. Müsste ich das in einem gut laufenden Supermarkt tausendmal am Tag sagen, wäre bei mir auch nicht mehr viel Verve und Wärme in der Stimme.

Und damit kennen Sie schon das Rezept für Ihren nächsten Jahresendgruß, egal ob dienstlich oder privat. Es ist kinderleicht, macht aus weniger mehr, setzt auf Klasse statt Masse, stellt Handwerk und Handschrift vor automatisierte Mailings und KI-generierte Texte. Mit anderen Worten: Machen Sie es einzigartig, fallen Sie aus der Rolle, springen Sie ins Auge. Aber bitte nicht durch Fehler.

So geschehen im ersten Fallbeispiel: Weil ich eine Einzelunternehmerin bin, Firmenname und Ansprechpartnerin identisch sind, ist nur ein Feld in der Kundendatenbank belegt und wurde dann vierfach angesteuert. Ein klarer Fall von Mail-Matching-Mistake. Mal abgesehen von dem kitschigen KI-generierten Bild und dem 08/15-Text. Fazit: Das kann gleich weg.

Im zweiten Fallbeispiel gab es drei Mails in Folge: Erstens die Aufforderung, das Unternehmen zu bewerten (aber bitte mit fünf ⭐⭐⭐⭐⭐, was sonst!) und dafür im Gegenzug Unternehmensspende bei der Hörfunk-Aktion „Hörer helfen Kindern“ auslösen. Zweitens der Zwischenstand mit dem Betreff „Unsere Spendenaktion geht in den Endspurt!“ sowie der Bitte, nachzulegen, damit das Ziel erreicht werde. Drittens der Dank an alle, auch an die, die nicht gespendet haben, und ein Versprechen: „Jetzt nerven wir Sie erstmal nicht mehr und lassen Sie die Feiertage in Ruhe genießen! Wer gerne einen Blick hinter die Kulissen werfen möchte, kann uns auf Social Media folgen.“ Ein klarer Fall von festlicher Content-Strategie, an der noch gefeilt werden muss. Denn einen Tag vor Heiligabend bleibt für „in Ruhe lassen“ nicht mehr viel Luft und dass so ein Mailing „nervt“ ist zwar richtig, sollte aber nie so nach außen posaunt werden. Fazit: Bitte streichen Sie mich umgehend aus Ihrem Verteiler.

Fallbeispiel drei zeigt die angeblich erste gedruckte Weihnachtskarte der Welt. Zugegeben der Text ist noch ausbaufähig: „Merry Christmas and a Happy New Year to You.“ Aber das zu drucken, ein Feld für die Personalisierung einzubauen und alles mit einer fröhlich feiernde Familie zwischen Weinreben und Zweigen zu garnieren, das erregte Aufsehen und skandalisierte. Schließlich waren es nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder, die hier dem Alkohol frönten. Aber 150 Jahre später ist der Skandal vergessen und Coles Weihnachtskarte hat Sammlerwert: im Jahr 2001 wurde ein Exemplar für 24.000 Euro verkauft. Fazit: Cool, Cole, alles richtig gemacht!

„Best of Festive Season Card“

Aufgeregt hat sich der Mensch schon immer. Aber in Zeiten von Social Media scheint das bisweilen zur Hauptbeschäftigung zu werden. Man kommentiert Dinge, die man nicht ändern kann. Posaunt Meinungen, die man besser für sich behalten sollte. Teilt fremde Inhalte, Posts oder auch Christmas Videos, die nur Speicher füllen, ohne zu erfüllen. Daher kommt hier mein Favorit:

Einfach mal in den Wald gehen, Tiere füttern und die Klappe halten: So kommen Sie gut und gesund ins neue Jahr!

0 Kommentare
Einen Kommentar hinterlassen