Jodel ohne Diplom

Jodel ohne Diplom

Jodeln, Jubilieren oder demütig Schweigen?

Zu Beginn ihres ersten Semesters hat meine Tochter noch leidenschaftlich mitgejodelt, schließlich war es toll, geflügelte Worte aus der Eröffnungsveranstaltung mit anderen zu teilen. (Für die älteren Semester unter den Lesern, es handelt sich um eine App für den Anonymen Trash-Talk an der Uni, wie der Spiegel einst schrieb, die nicht ganz ohne ist, weil die Kommunikation zwar direkt, aber doch live und sehr konkret ist, wie diese Geschichte auf jetzt.de bewies!) Aber irgendwann ging ihr für das ständige Witzemachen und Bewerten die Puste aus, so wie so manchem anderen Jodler vermutlich auch, wie die erlahmte Facebook-Seite „Best of Jodel – Lüneburg“ vermuten lässt:

Außerdem stellte meine Tochter fest: „Mama, das ist ja so schrecklich unverbindlich…“ Ich konnte nur nicken. Viel mitmischen, wenig so richtig ernst nehmen und zu Ende bringen, ist auch so ein Synonym dieser Zeit. Das betrifft Verabredungen, FB-Gruppen, Gedanken – dem eigenen Wort wird schlichtweg nicht mehr getraut, niemand will sich festlegen!

So geschehen kurz vor Weihnachten. Für das Abendblatt schreibe ich an einem Beitrag über Karrieren in Zeiten der Digitalisierung, der Vorlauf ist lang, der Abgabetermin zwischen den Jahren ungünstig. Wen soll ich dazu kurz vor Weihnachten noch erreichen? Ich rufe Unternehmer aus der IT− und Medienbranche an, die nebenbei den Nachwuchs im Programmieren fit machen wollen. Schöne Sache und ich verstehe voll und ganz, dass man da keine Zeit mehr für ein Interview findet, aber einer ruft doch zurück. Klar, wolle er mich unterstützen, ich soll nur kurz zur Vorbereitung die Fragen schicken und er würde diese beantworten – notfalls feiertags…

So viel Engagement ist aus meiner Sicht nicht nötig, ich schicke nur drei kurze Fragen, ich schicke sie sofort und es sind noch über 48 Stunden bis zum Heiligen Abend. 24 Stunden später, als ich noch nichts gehört oder gelesen habe, schicke die Mail noch mal über Xing, wo er mir seine Daten freigeschaltet hatte, und rufe an. Der Anruf verhallt, ein AB ist nicht dran, die Nachricht wurde gesendet, so viel steht fest. Nur die Rückmeldung bleibt aus, auch nach Weihnachten, wo ich den Artikel abgeben muss. Und nun? Alte Journalistenregel befolgen und stets ein As in der Tasche haben oder eben einen Telefonjoker an der Hand!

Was mich aber schon nervt, ist diese Multioptionsgesellschaft, die sich gerne als große Freiheit verkauft, aber in Wahrheit viele überfordert. Meine drei wichtigsten Knigge-Regeln für die Generation „Vielleicht“ lauten:
1. Bewusst-Sein: Überlege dir, wer du bist, was du magst, wo du hinwillst und mit wem – und dann stehe zu deiner Entscheidung!
2. Fair-Sein: Gern mit einem klaren Nein, aber nicht per SMS, sondern persönlich! Und wenn deine Antwort ein Ja ist, halte dich bitte daran!
3. Echt-Sein: Fange bei dir an selbst an, anderen wirst du kein verbindliches Verhalten aufzwingen können. Du kannst allenfalls Konsequenzen aufzeigen, dich auf die Leute konzentrieren, auf die Verlass ist, die dich wertschätzen und dir echte Impulse geben. Und das wird dann wirklich zum Jodeln!

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