Die letzten Blätter fallen. Mehr Menschen als gewöhnlich sterben. Die Finsternis siegt über das Licht. Was sonst gäbe es über den elften Monat des Jahres zu sagen? Der November beginnt mit Allerheiligen und ist mit Reichspogromnacht, Volkstrauer- und Totensonntag noch lange nicht vorüber. Immerhin: Eine Woche später, nach einem hoffentlich glücklich überstandenen Black Friday dürfen wir immer noch im November das erste Licht auf dem Adventskranz anzünden. Aber das hat auch mit dem biblischen Mythos von Licht und Finsternis zu tun. Eine Dualität, die uns geprägt und dem Schwarz-Weiß-Denken Vorschub geleistet hat.
Eine Hymne an das Dunkel hat der Journalist Peter Richter gerade in einem SZ-Essay „Es werde Schwarz“ veröffentlicht und ich habe das mit Interesse gelesen.
- Zum einen, weil darin ein guter Bekannter meiner Freundin zu Wort kommt. Er ist Historiker, spezialisiert auf mittelalterliche Geschichte, abendländische Symbolik und hat schon mehrere Bücher über die Geschichte der Farben geschrieben. Sein Name: Michel Pastoureau. Seine Erkenntnis zu düsteren Konnotationen: Schon die Römer hatten zwei Worte für die Farbe Schwarz. Sie sprachen von niger, wenn das Schwarz leuchtete; ater, wenn es matt war. Im frühen Mittelalter habe sich diese Unterscheidung mit blach oder swarz im Althochdeutschen und blaek oder swart im Altenglischen noch halten können. (Frage an Michel: Warum hat sich im Deutschen der negativ besetzte Begriff durchgesetzt? Black is beautiful, aber Schwarz eben doch die Abwesenheit von Licht und Farbe?)
- Zum anderen, weil ich es erhellend finde, über Sprache und ihre Prägungen nachzudenken. Übrigens gerade in einer Zeit, in der man lieber die Sprache kontrolliert als die gesellschaftlichen Missstände dahinter zu ändern. Ist das kleine Schwarze nicht auch ein Stereotyp aus der Welt der Ungleichstellung? Finden wir es vielleicht gerade darum so anziehend?
- Und weil ein Monat viel zu lang ist, um die ganze Zeit Trübsal zu blasen.
Nur wer sich ändert, bleibt sich treu
Was besagt der sprachliche Rückblick ins Schwarze, das immer geht und gern auch avanciert daherkommt?
- Sprache lebt und „Schwarz“ hat von niger zum heutigen Schimpfwort mit E eine rasante Entwicklung genommen.
- Bevor man allerdings alle dunkelfarbigen Begriffe gleich auf einmal auf den Index setzt, sollte man Historiker befragen, gegebenenfalls den historischen Kontext herausarbeiten und Betroffene zu Wort kommen lassen – vergleiche die Rassismusdebatte um den Begriff „Mohr“.
- Überhaupt ist Reziprozität ein guter Berater: China kriegt ein Stück vom Hamburger Hafen, wenn im Gegenzug Mitbestimmung am Hafen Shanghai möglich wird. Es darf so ziemlich alles und jeder auf Twitter zu Wort kommen – Ermittler von Missständen bei Tesla eingeschlossen. Drohende Blackouts sind hoffentlich nur Schwarzmalerei und Schwarz mag das neue Weiß sein, aber es kann nicht allein glänzen. Dafür braucht es schon die Vielfalt an Regenbogenfarben.