Neulich habe ich Post bekommen vom Amtsgericht. Der Termin am Vortag wurde aufgehoben, steht darin. Und dass ich zu diesem Termin n i c h t (sic!) zu erscheinen brauche.
Zum Glück kannte ich den Inhalt schon, bevor ich den Brief öffnete. Der Anwalt hatte mich informiert, telefonisch, per SMS und per Mail. Letztere bestand aus drei Anhängen: erstens das eingescannte Schreiben des Amtsgerichts an die Anwälte, inklusive der Bitte, die Mandanten zu informieren; zweitens die formelle „Abladung“ und drittens ein Schreiben der Kanzlei an mich. Drei Anhänge, ein Inhalt: Der seit drei Monaten geplante und bereits einmal verschobene Termin konnte nicht stattfinden. Zwei Tage später überbrachte der Postbote die Botschaft erneut.
So etwas nenne ich Überkommunikation und wenig zeitgemäß. Etwas ratlos hielt ich den Postbrief in den Händen. Er war nicht unterschrieben: „Dieses Schreiben wurde elektronisch erstellt und ist ohne Unterschrift gültig“, so die „Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle“ nach ihren freundlichen Grüßen. Wäre es nicht sinnvoll, für solche kurzfristigen Fälle die Mailadressen der Beteiligten abzufragen und die elektronisch erstellte Abladung auch elektronisch zu übermitteln, fragte ich mich. Wenn Poststempel und abgesagter Termin nämlich zusammenfallen, kann die Deutsche Post noch so CO2-neutral sein und der Poststempel noch so blau für die Initiative „Go Green“ werben, die Lieferung kommt in jedem Fall zu spät. Und das ist nicht grün, das ist blöd.
Überhaupt Abladung, Erblasser und Co.: Manche Begriffe aus der Rechtssprache verwirren mich. Eine Abladung jedenfalls hat mich eher an die Stadtreinigung erinnert als an eine Ausladung oder Absage. Aber ich will auch nicht kleinlich sein, wo das Gericht so großzügig ist: 4,12 Prozent Verzugszinsen für nicht fristgerecht beglichene Zahlungsschulden, deren Höhe ja aber erst nach Abschluss der Verhandlung feststeht. Welche Geldanlage kann da so langfristig und sicher mithalten?
Vom Hype um Technik zur Hoffnung auf gute Verständigung
Mit der Gesellschaft befindet sich auch der Rechtsmarkt im Umbruch. Das sagen zumindest die Verfechter von „Legal Tech“ und damit Angeboten, die juristische Arbeit digitalisieren sollen. Was nicht bedeutet, dass eine KI über meinen Fall entscheidet. Aber Legal Tech kann:
- Sich wiederholende Arbeiten in der Kanzlei übernehmen
- Dokumentenanalyse oder Vertragsregelungen teilautomatisieren
- Die Vernetzung sowohl mit Mandanten als auch Kollegen erleichtern
- Neue Geschäftsfelder eröffnen
- Online den Zugang zum Recht erleichtern.
Und es geht weiter: Weil ich mich mal journalistisch mit Legal Tech befasst habe, erreichte mich jetzt die Einladung, das auch für „Legal Design“ zu tun. Untertitel einer Neuerscheinung dazu: „So geht Recht im 21. Jahrhundert“. Das hat mich natürlich neugierig gemacht. Wenn ich es richtig verstanden habe, sollen Designer für mehr Nutzerfreundlichkeit, Verständlichkeit und ansprechende juristische Produkte sorgen. Für eine bessere „Legal Communication“ sozusagen – und das klingt in meinen Ohren durchaus vielversprechend. Es muss sich nur noch durchsetzen.
Gerade hat mich wieder ein Go Green Schreiben auf Umweltschutzpapier aus dem Amtsgericht erreicht mit einem neu angesetzten Haupttermin in etwas weniger als zwei Monaten. Hoffentlich hält Corona noch so lange still. Sonst bleibt uns nur noch „Use a Screen“. Immerhin: Die Zivilprozessordnung hat nichts gegen die Videokonferenz und für die softwarebasierte Cloud-Lösung. Ein handelsüblicher Internetbrowser, eine Webcam und etwas guter Wille wären nötig. Und die blöden Emoticons im Chatroom könnte man doch ausschalten…
PS. Neuer Termin ist bestimmt worden auf:
Ich habe mich zu früh gefreut und halte erneut Post vom Amtsgericht in den Händen. Wieder brauche ich zu Termin Nummer vier n i c h t zu erscheinen, und werde auf die Folgen im Falle meines Nichterscheinens am Termin fünf hingewiesen. Ist ja gut, ich will es gern hinter mich bringen.