Stich ins Herz

Stich ins Herz

Jetzt sind wir also da, wo wir vor einem Jahr niemals hinkommen wollten. Der kleinen Ökonomie des Impfens, einer Mainzer Firma, die sich auf den Weg gemacht hat, Marktführer auf dem Gebiet der Immuntherapie zu werden und vieler aus den Boden gestampfter Angebote zum Trotz. Wo hat die Kampagne versagt und wie konnten wir zum „Impfentwicklungsland“ werden?

Keinen Stich bisher gelandet haben:

  • Bloße Empfehlungen und Appelle: Nicht von der Impfkommission, nicht von der Politik, nicht von Freunden
  • Impfbratwürste
  • Satire (Sicher, es bringt nichts, Impgegner zu karikieren. Das verfestigt nur ihren Plot, dass sie die Opfer seien. Wer aber andererseits von „medialem Schrott“, „Verunglimpfung“ oder gar „Propaganda“ spricht, nur weil ich eine Satire von Maren Kroymann geteilt habe, muss sich angesichts dramatische Rettungsflüge ungeimpfter Corona-Kranker aus dem Süden in den Norden schon meine Frage gefallen lassen: Wer hat hier eigentlich einen Stich?)

Was Stiche machen könnte:

  • Kimmich: Wenn Impfskeptiker infiziert werden und dadurch ihre Meinung ändern, können sie zu positiven Vorbildern und damit Botschaftern werden.
  • Corona ist grausam, Impfstoff gratis. (Werbetexter können das besser, es geht um das Vorbild dahinter: Als ich in den 70igern gegen das Poliovirus geimpft wurde, war mir der Slogan „Kinderlähmung ist grausam, Schluckimpfung ist süß“ tatsächlich egal. Und auch das Zuckerstück allein wäre vermutlich kein Anreiz gewesen. Geholfen hat, dass meine ganze Klasse dabei war und meine Eltern aktiv hätten widersprechen müssen.)
  • Katja und der menschliche Blick hinter die Kulissen der Krankenhausbeschäftigten am Limit

Katja ist echt, auch wenn sie anders heißt. Ich treffe sie zufällig im Treppenhaus des Sportstudios. Aber Entspannung sieht anders aus; der Gesichtsausdruck verzerrt, die Stimme brüchig. „Ich muss andauernd heulen“, stößt sie hervor. „Ich kann einfach nicht mehr. Schlafen und Arbeiten, mehr ist nicht drin.“ Katja ist angehende Kinderkrankenschwester im dritten Lehrjahr. Mit der Pandemie hat ihre Station direkt nicht viel zu tun. Indirekt aber schon: Weil Pflegekräfte fehlen. Weil Schutzbekleidung und Notfallsituationen zum Normalfall geworden sind. Weil das Gesundheitssystem viel zu lange auf Kante genäht wurde und nun immer schneller kippt.

Katja ist 21, häufig müde und nicht zuletzt verzweifelt. Als sie vor einem Jahr ausbildungsbedingt in einem Pflegeheim gearbeitet hat, hat sie sich einen Virus eingefangen, an dem sie heute noch leidet: Wenn sie laufen oder springen will, bleibt ihr die Luft weg. Katja hat Long-Covid! „Wenn ich die Ausbildung geschafft habe, höre ich auf. Definitiv“, betont die Pflegeschülerin. „Fürs Leben gelernt habe ich dennoch. Es war nicht umsonst“, fügt sie leise hinzu.

Katja fühlt sich im Stich gelassen. Vom Ausbildungsbetrieb, weil er die Corona-Infektion nicht als Berufsunfall anerkennt. Von der Gesellschaft, weil fast jeder Dritte immer noch den Stoff verweigert, der Katja heute das Leben sehr erleichtern würde, hätte es ihn schon vor einem Jahr gegeben, davon ist die Auszubildende überzeugt. Von der Politik, weil sie viel Geld in scheinbar unterhaltsame Kampagnen wie die „Ehrenpflegas“ steckt, aber damit nur Vorurteile bekräftigt. Katja empfiehlt dagegen die Folgen von „Charité intensiv“. Es ist alles gesagt, gefilmt und verfügbar – wir müssen es nur noch ansehen!

Katjas Geschichte ist wie ein Stich ins Herz. Auch in das der Impfgegner?

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